die rhetorische Frage
"Macht PISA dumm?"

Ich habe ja nicht gerade ein positives Bild von universitären Schul-"Experten"

(vgl. ),

aber ab und zu gibt's darunter ja doch Leute, die ihre Karriere nicht auf stromlinienförmigem Mitschwimmen im bildungspolitischen mainstream aufgebaut haben

(nebenbei: "Eigenlob stinkt"? Ach was, "Nur Lumpen sind bescheiden!" (Goethe): die Mathetexte, die ich im Internet verbreite, sind

[so unterstelle ich hier einfach mal, obwohl ich ja kaum was von Mathe-Didaktikern gelesen habe]

um Längen besser als 98 % dessen, was die professorale Mathe-Didaktik-Hundertschaft produziert;

vgl. "[...] ein[...] mögliche[r] Erneuerer der math. Schulform (der hat mehrere Doktortitel verdient [...])"!).

Z.B. die beiden Herausgeber und Mitautoren Thomas Jahnke und Wolfram Meyerhöfer des Buchs

(vermutlich das wichtigste, aber sicherlich viel zu wenig gelesene Buch nach der PISA-Katastrophe;

wobei ich unter "PISA-Katastrophe"

nebenbei: kann man eigentlich ein Buchcover überhaupt noch weniger ansprechend gestalten als bei diesem Buch, das doch wahrhaft einen eyecatcher à la   verdient hätte).


Der Mitherausgeber Wolfram Meyerhöfer hat den  ein Interview über PISA gegeben, an dem mich hier allerdings nur der

(vermutlich nicht von Meyerhöfer, sondern der Redaktion gewählte)

Titel Macht PISA dumm? interessiert.

Das ist natürlich eine rhetorische Frage.

(Wie ich aber meinen Schülern immer predige: es reicht nicht, ein Stilmittel zu benennen, sondern man muss

[wenn es diese überhaupt gibt]

hat.

"Dingsbums ist eine Metapher" reicht also

[einer der schlimmsten Folgen von PISA],

Nach der Feststellung einer rhetorischen Frage muss also

  1. mindestens die suggerierte Antwort mitgeliefert,
  2. ansonsten aber auch
 

[wie man sie dann eben doch noch untergejubelt bekommt],

[und da reicht als Erklärung natürlich nicht das wieder arg nichtssagend-allgemeine "der Autor will uns mit der Frage ans Nachdenken bringen": und wenn sie nicht gestorben sind, dann nachdenken sie noch heute;

und schon haben wir eine weitere Stufe - und drehen uns (ohne konkretes Beispiel) im Kreis?:

Ich befolge im nun allerdings nur 1.])

"Macht PISA dumm?" bedeutet natürlich "PISA macht dumm!!!" bzw. "SELBSTVERSTÄNDLICH macht PISA dumm",

d.h. da wird erstmal gründlich jeder Respekt vor PISA

(nochmals: weniger den Tests als den schulpolitischen Konsequenzen)

abgewürgt.

Ich frage mich allerdings

(auch wieder rhetorisch)

  1. , ob PISA erst dumm macht bzw. gemacht hat oder auch

  2. schon Dummheit voraussetzte;

  3. , wen PISA dumm macht bzw. dumm gemacht hat bzw. wessen Dummheit da Voraussetzung war.

Ich fange mit c. an:

warum eigentlich ist der erste PISA-Test seinerzeit wie eine Bombe eingeschlagen

(und zwar in Deutschland so sehr wie in keinem anderen Land - auch keinem, das erheblich schlechter abgeschnitten hat)?

Eine erste Erklärung hat Meyerhöfer in einem anderen Interview mit dem

(langsam wird's langweilig!:)

wieder rhetorischen Titel "Schluss mit PISA?" dem Online-Magazin gegeben

(auf dieses Interview werde ich mich im Folgenden mehrfach beziehen):

Anders gesagt: es gibt kaum ein Lebensgebiet, das jeder mal so hautnah erlebt hat

(und mit dem sich mehr oder minder "existentielle" Erinnerungen verbinden)

wie die Schule, über die somit angeblich jeder mitreden kann

(ich wundere mich immer wieder über vermeintlich Erwachsene, die auch zig Jahre später nicht kritisch-distanziert über Schule reden können).

PISA kam also gerade recht, um ein langgehegtes

(und allemal berechtigtes!)

Unbehagen an "der" Schule auf den Punkt zu bringen. Dabei war es aber völlig nebensächlich,

  1. was genau PISA diagnostiziert hat,

  2. inwieweit diese Diagnose berechtigt und (auch statistisch) aussagekräftig war,

  3. von wegen : wer die Diagnose gestellt und daraus folgend auch die bittere Medizin verordnet hat

(die OECD),

Hauptsache, die Diagnose war richtig schön negativ, also eine Ohrfeige für "die" Schule

(und eine späte Genugtuung gegenüber all jenen Lehrern, die einen anno dunnemals entwürdigt haben;

ganz ähnlich klingt es in meinen Ohren, wenn oftmals

[sogar von einigen Lehrern, nämlich jenen mit Freie-Wirtschafts-Komplex]

gesagt wird, jeder andere Angestellte und jede andere Institution müsse sich einer Überprüfung stellen - also auch die Lehrer und die Schule:

[nach welchen Kriterien das geschieht und ob es überhaupt abprüfbare Kriterien gibt]

Denn was weiß Max Mustermann schon über A. - C.?!

Und Max Mustermann wird sich auch nichts bei OECD = "Organisation for Economic Co-operation and Development" denken und kann somit auch nicht stutzig dabei werden, dass ausgerechnet eine ökonomische Vereinigung den Maßstab dafür aufstellt, was Schule und Bildung eigentlich leisten sollten

(aber tatsächlich oder angeblich nicht leisten).

Schon allein das Wörtchen "ausgerechnet" und allemal wird er vermutlich als bösartige Unterstellung ansehen, dass man da den Bildungs-Bock zum Bildungs-Gärtner gemacht habe

(bzw. der Bock sich selbst das Gärtner-Amt angemaßt hat).

Da hilft es auch wenig, wenn man ja gar nicht simplifizierend "Erkenntnis = Interesse" meint

(Otto Waalkes: "Wissenschaftler haben jetzt nachgewiesen, dass Rauchen doch nicht gesundheitsgefährdend ist. Gez. Dr. Marlboro."),

sondern nur darauf hinweist, dass die Brille des Interesses die Erkenntnis teilweise

(auch ohne [gar böse] Absicht)

färben könntete.

(Nebenbei: mal angenommen, PISA ist tatsächlich stramm ökonomisch gefärbt. Dann steht für mich dahinter dennoch ein arg kurzsichtiges und langfristig sogar wirtschaftsschädigendes Denken

[... womit ich nicht durch die Hintertür doch wieder ökonomische als zentrale Bildungskriterien akzeptiere]).

PISA konnte also nur deshalb so einschlagen, weil massenhaft "Laien" keinerlei Hintergründe von PISA kannten und kennen. Damit will ich Laien keine Dummheit unterstellen

(ich habe zumindest noch keinen erstmal von der Aussagekraft von PISA und den daraus gezogenen Konsequenzen überzeugten Laien

[oder auch - es ist kaum zu glauben, aber das gibt's wirklich!: - Lehrer]

erlebt, den ich nicht durch eine zehnminütige Predigt immerhin skeptisch gegenüber PISA gemacht hätte):

woher sollten die Laien es denn auch (besser) wissen?!

Der Begriff "Laien" unterstellt indirekt auch, dass es auf der anderen Seite eine "Priesterkaste" aus sogenannten / selbsternannten "Experten" gibt,

Die "Priesterkaste" wusste es aber

(bis auf ganz wenige [u.a. mich!])

nicht besser, hat sich die Entscheidungen aber dennoch angemaßt - und rabiat durchgezogen.

Angenommen aber mal, die PISA-Diagnose hätte tatsächliche grobe Mängel des Schulsystems aufgezeigt

(und solche Mängel gibt es ja zuhauf!).

Dann hätte man doch zu allererst die Priesterkaste zur Verantwortung ziehen müssen, da sie ja maßgeblich für die Misere gesorgt hat.

Aber ganz im Gegenteil: man hat die Hauptschuldigen zu den Hauptreparateuren gemacht

(also wieder den Bock zum Gärtner).

Dieser Priesterkaste

(der Kultusbürokratie und der PISA-Industrie)

konnte überhaupt nichts Besseres als PISA passieren

(schlechte Nachrichten sind für sie immer gute Nachrichten)

denn PISA war eine wunderbare Beschäftigungsinitiative für Schreibtischtäter 

(und so einige PISA-Leute wie Schleicher und Prenzel waren wohl selbst bass erstaunt über ihre unerhoffte neue Bedeutsamkeit).

Mit all dem ist aber noch immer nicht geklärt, warum PISA gerade in Deutschland so lautstark eingeschlagen ist

(schlechte Schulsysteme gibt's auch in anderen Länder, aber da dachte man sich wohl: "der Hund bellt, die Karawane zieht weiter" bzw. "wir lassen uns das Singen nicht verbieten").

Nun könnte man ja die in Deutschland allseits beliebte Nazi-Keule rausholen und sagen: aufgrund ihrer permanenten Minderwertigkeitskomplexe sind die Deutschen überhaupt erst zufrieden, wenn sie auch in Sachen Schule auf Platz 1 stehen - und dann soll am deutschen Wesen (wieder) die Welt genesen!

Eine befreundete Südafrikanerin hat es mal humorvoller ausgedrückt:

"Deutschland hat dem Ersten Weltkrieg verloren. Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg verloren. Deutschland hat PISA verloren. Deshalb gönne ich es Deutschland jetzt von ganzem Herzen, dass es wenigstens mal Fußballweltmeister 20?? wird."

(Ein schönes Beispiel für die Minderwertigkeitskomplexe und den Provinzialisms Deutschlands

[die es aber genauso beispielsweise in der Grande Nation Fronkreisch gibt)

sind die [immer ausländischen] "Heuschrecken": 

[Marc-Uwe Kling: "ich habe ein Recht, von deutschen Ausbeutern ausgebeutet zu werden"],


In dem oben schon genannten Interview Wolfram Meyerhöfers mit dem Titel (link) "Schluss mit PISA?"

(vgl. "Schluss mit lustig!")

hat er so einige Sätze gesagt, die ich doch jedem, der noch an "PISA & seine Folgen" glaubt (!), gerne genüsslich um die Ohren hauen würde.

Einige Beispiele:


Schade finde ich es aber, dass sogar Meyerhöfer nicht konsequent zu Ende denkt:


Mal abgesehen davon, dass gar nicht so klar ist, was überhaupt ein schlechter Lehrer ist

(es könnte ja jener sein, der [wie ich!] gerne Abituraufsätze über "die Grundidee des Differenzialbegriffs und einige Verwendungen" schreiben lassen würde und deshalb "schlecht" ins System passt):

natürlich gibt es miserabel schlechte Lehrer

(wobei für mich das "Menschliche" erheblich wichtiger ist als das Fachliche),

denen geholfen oder die gar gefeuert werden müsste(n), aber die Kultusbürokratie ist doch als allerletzte geeignet, das

(und dann auch noch in einem "konstruktiven, kollegialen Dialog")

zu tun: mit ihr würde man ja (nochmals) den Bock zum Gärtner machen!


PS: an einer Stelle sagt Meyerhöfer:


Ist damit indirekt auch gemeint, dass jemand, der sich für den Lehrerberuf entscheidet, einen Blanko-Einverständnis-Scheck für die gesamte Zukunft ausstellt?


Was ist denn, wenn die "Geschäftsgrundlage" sich ändert, d.h. wenn die Schulpolitik sich erst im Laufe eines "Berufslebens" (vor allem durch PISA!) in eine Richtung bewegt, die - wie Meyerhöfer ja überzeugend zeigt - ein guter (!) Lehrer nicht mehr gut(!)heißen kann, ja darf?