noch pomadiger geht's nicht:

 

po|ma|dig: 1. mit Pomade eingerieben. 2. (ugs.) a) langsam, träge; b) blasiert, anmaßend, dünkelhaft.
(Duden Fremdwörter-Lexikon)

Justinius Kerner: Der Zopf im Kopfe

Einst hat man das Haar frisiert,
Hat's gepudert und geschmiert,
Daß es stattlich glänze,
Steif die Stirne begrenze.

Nun läßt schlicht man wohl das Haar,
Doch dafür wird wunderbar
Das Gehirn frisieret,
Meisterlich dressieret.

Auf dem Kopfe die Frisur,
Ist sie wohl ganz Unnatur,
Scheint mir doch passabel,
Nicht so miserabel,

Als jetzt im Gehirn der Zopf,
Als jetzt die Frisur im Kopf,
Puder und Pomade
Im Gehirn! - Gott Gnade!

Da ich aus vielerlei

(allerdings zu allerletzt aus inhaltlichen)

Gründen ja sowieso sämtliche zentralen Prüfungen für Blödsinn halte, wirkt es vielleicht nur noch einseitig voreingenommen, wenn ich jetzt auch den Inhalt einer solchen Prüfung kritisiere.

Am Dienstag, dem 12.5.09, mussten alle Zehntklässler in NRW die alljährliche "Zentrale Prüfung" im Fach Deutsch ablegen, und dabei ging es im ersten Teil um den Text

Ein Leben ohne ihr Handy können sich japanische Schüler nicht vorstellen. Viele sind geradezu besessen von den Mobiltelefonen, mit denen sie Stunden verbringen und dutzende Kurzmitteilungen pro Tag versenden.


Was auf der Strecke bleibt, ist der Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Experten beklagen schon jetzt Kommunikationsdefizite bei Teenagern. Sie haben auch festgestellt, dass Schüler das Handy immer häufiger für Mobbing missbrauchen.

Eine Umfrage der japanischen Regierung ergab kürzlich, dass ein Drittel der Grundschüler ein Handy benutzt. In der weiterführenden Schule sind es schon 96 Prozent der Schüler. Sie brauchen die Mobiltelefone, um SMS zu verschicken, zu plaudern, Bücher zu lesen, Musik zu hören und im Internet zu surfen. Junge Mädchen hängen im Schnitt 124 Minuten am Tag am Handy, Jungen 92 Minuten.

Zwar eröffnen die elektronischen Alleskönner neue Möglichkeiten des Lernens und Kommunizierens. Doch für manche Teenager werden sie zur Droge. Auf die Frage, was ihnen abgesehen von ihrem eigenen Leben am wichtigsten sei, antworteten viele japanische Schüler »Mein Handy«, berichtet Masashi Yasukawa, Vorsitzender des Nationalen Internet-Beratungsgremiums. »Sie bewegen ihre Daumen sogar, während sie essen oder fernsehen.«

Ihr Leben funktioniere nicht ohne Handy, berichtet etwa die 20-jährige Ayumi Chiba. »Wenn ich mal vergessen hatte, es mit in die Schule zu nehmen, habe ich eine Krankheit vorgegaukelt, so dass ich eher heim konnte.«  Viele Jugendliche fühlten sich ohne ihr Handy unsicher, erklärt der Tokioter Soziologieprofessor Hideki Nakagawa, »genauso wie Vertreter ohne ihre Visitenkarten« .

Bei einer Studie mit 1600 japanischen Mittelschülern um die 14 Jahre gaben 60 Prozent an, ein Mobiltelefon dabei zu haben. Fast jeder zweite verschickt 20 E-Mails oder mehr pro Tag. Dabei nutzen die Schüler ihr Handy weniger für Plauderei als für Kurzmitteilungen. Sie fühlten sich sicherer, wenn sie es nicht mit einem Gegenüber aus Fleisch und Blut zu tun hätten, sagt der Studienleiter, Pädagogikprofessor Tetsuro Saito, der um die Kommunikationsfähigkeiten seiner jungen Landsleute fürchtet.

Das Beispiel der 18-jährigen Tomomi bestätigt seine Sorge. Die Schülerin verschickt täglich rund 20 E-Mails. »Es gibt Leute, mit denen ich nicht spreche, selbst wenn ich sie in der Schule sehe. Wir tauschen nur E-Mails aus. Ich schätze, uns verbindet nur ein Apparat.« 

Saitos Studie ergab, dass manche Jugendliche ihr Mobiltelefon als eine Art emotionale Krücke brauchen. Dabei gilt: Je mehr Probleme im Elternhaus, desto größer die Handy-Sucht. So verschicken 60 Prozent der Schüler, die zuhause unglücklich sind, 20 oder mehr E-Mails pro Tag. Bei den zufriedenen Jugendlichen sind es nur 35 Prozent.

Je mehr das Handy das Leben der Schüler in Japan bestimmt, desto größer werden auch die Gefahren. So nutzen manche Jugendliche ihr Mobiltelefon für Schikane. Internet-Experte Yasukawa nennt das Beispiel eines 15-jährigen Opfers. »Du stinkst!« , stand in den anonymen SMS, die das Mädchen erhielt, oder gar »Stirb!« . Hinter dem Telefonterror steckte eine vermeintliche Freundin. Diese gab an, sie habe sich angesichts der Angst ihrer Kumpanin gut gefühlt.

»Eltern ahnen ja nicht, dass sich hinter den Handy-Displays eine wirklich schaurige Welt verbirgt« , sagt Yasukawa. Da Schüler per Mobiltelefon persönliche Informationen preisgeben, können sie auch ins Visier von Betrügern oder Pädophilen geraten. Nur etwa ein Prozent der jungen Nutzer haben seinen Worten nach eine eingebaute Sperre für möglicherweise zwielichtige Seiten. Und auch in Internetforen von Schulen, auf die nur Schüler Zugriff haben, können Missetäter ungehindert und anonym Mitteilungen verschicken.

Wird ein Jugendlicher gemobbt, so könne er auf virtuellem Wege einen anderen Mitschüler wegen irgendeiner Nichtigkeit an den Pranger stellen, sagt Yasukawa. Das führe dann womöglich zu einem regelrechten »Überlebensspiel unter Kindern« . (AFP)

(Quelle: )

Zu diesem Text sollten dann im multiple-choice-Verfahren verschiedene inhaltliche Fragen beantwortet werden, und am Ende wurde sogar eine "kritische" (!) Wertung verlangt:

"Nimm Stellung zu folgender Aussage: »Der Text ist sehr einseitig. Er handelt nur von den Nachteilen des Handy-Gebrauchs.«  Beziehe dich dabei auf mehrere Aspekte aus dem Text."

... wobei nur die Argumentationen, nicht aber die Positionen der SchülerInnen bewertet werden,

... was ja einerseits nur fair ist, andererseits aber doch auch nahelegt, dass der Text nur beliebiger Anlass für die Prüfung war.

Trotz der mühsam mitgelieferten kritischen Position ist der Text

(nicht im Internet, sondern als Prüfungsanlass)

aber doch

  1.  eine Anbiederung

(auf die SchülerInnen garantiert nicht - und schon gar nicht in einer Prüfung - reinfallen werden)

an jugendliche Aktualitäten

(vergleichbar der einen [!] ach so lebensnahen Handy-Tarif-Aufgabe, wie sie seit Jahren allüberall in der "progressiven" Mathe-Didaktik gehandelt wird),

  1. penetrant pädagogisch

("Finger weg vom - igitt - Teufelswerk Handy!")

und wegen der Mischung aus 1. und 2.

  1. schaurig pomadig.

... auch deshalb, weil die Jugendlichen nach ewigem medialem (!) Gestänker gegen Handys deren Nachteile ja durchaus kennen und vielleicht auch (Mobbing) wollen - und vermutlich unterstellen, dass da alte Säcke stänkern, die nicht mal selbst ein Handy bedienen können. Die Handy-Diskussion erinnert mich doch fatal an die seinerzeitige, penetrant "pädagogische" Diskussion über die ach so gefährlichen Tamagotchis.

Könnte es sein, dass gar nicht die Handys das Problem sind, sondern (so der Aufgabentext!) die Elternhäuser und sonstige soziale Probleme? Warum, verdammt noch mal, laboriert man immer an den Symptomen (Ballerspiele ...) rum?