a little respect (just a little bit)

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"(oo) What you want
(oo) Baby, I got
(oo) What you need
(oo) Do you know I got it?
(oo) All I'm askin'
(oo) Is for a little respect when you come home (just a little bit)
Hey baby (just a little bit) when you get home
(just a little bit) mister (just a little bit)

[...]

R-E-S-P-E-C-T
Find out what it means to me
R-E-S-P-E-C-T
Take care, TCB

[...]"
(Aretha Franklin)

- - -

"Der Mensch muss wissen und spüren, dass sein Wort etwas gilt,
dass seine Würde nicht verletzt wird,
dass man ihm mit Vertrauen und Achtung begegnet.
Sobald ein Mensch solches erlebt,
vermag er eine Menge zu leisten."
(Michail Gorbatschow)

Am 17.1.07 lief im Deutschlandfunk die Sendung Bild, und bei Interviews mit in der Strafanstalt "einsitzenden" Jugendlichen fiel dem Moderator Jürgen Wiebicke schnell auf, dass ganz ungewöhnlich häufig

(und das ausgerechnet bei ansonsten sprachlich sehr "reduzierten" Jugendlichen)

das Wort "Respekt" fiel.

Vor allem wünschten die Jugendlichen sich verzweifelt, dass sie (insbesondere von Mitgefangenen) selbst respektiert würden, und dazu diente u.a. der Kraftraum in Knast, denn der Respekt stand und fiel anscheinend vor allem mit körperlicher Stärke.


Nun will ich hier nicht über Jugendliche im Strafvollzug reden, denn da kann ich kaum mitreden (oder gar vorschnell urteilen). Vielmehr hat mich allein der Schrei nach Respekt hellhörig gemacht.


Könnte es sein, dass Respekt fast wichtiger als Liebe, ja, dass Liebe nur eine "Teilmenge" des Respekts ist?:

jeder Mensch will (egal wie) anerkannt sein, und das holt er sich (wenn irgend möglich)

(Könnte es also sein, dass viele Jugendliche überhaupt erst im Knast landen, weil sie [z.B. in ihrer Clique] mit Verbrechen Anerkennung erhalten wollen?)


Der Begriff des "Respekts", wie er bislang durchschimmerte, scheint mir nun aber völlig der Lexikondefinition

"Respekt »Ehrerbietung, Achtung; Ehrfurcht, Scheu«: Das Substantiv wurde im 16. Jh. aus gleichbed. frz. respect entlehnt, das auf lat. respectus »das zurückblicken, das Sichumsehen; die Rücksicht« zurückgeht. Das zugrundeliegende Verb lat. re-spicere »zurückschauen; Rücksicht nehmen« ist eine Bildung aus lat. re- »zurück, wieder« (vgl. re..., Re...) und lat. specere »schauen« [...]. - Dazu stellt sich das Verb respektieren »achten; anerkennen«, das im 16. Jh. aus gleichbed. frz. respecter übernommen wurde."
(Duden - Herkunftlexikon)

zu widersprechen, wenn darin zweimal auf "Rücksicht" bzw. "Rücksicht nehmen" angespielt wird. Vgl. auch

"Rücksicht: ↑ Achtung; Rücksichten ↑ Anlass; etwas ohne Rücksicht [auf Verluste] tun ↑ rücksichtslos [sein]."
(Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter):

wer Macht, Brutalität usw. ausübt, erhält vielleicht Respekt, handelt aber doch gerade "ohne Rücksicht [auf Verluste]" bzw. "rücksichtslos".


"Respekt" scheint mir ähnlich wie "Autorität" zu "funktionieren":

(oder systematisch absprechen bzw. rauben).

So gesehen ist "Respekt" immer - unvermeidbar? - fatal auf andere angewiesen.

(Das Fernziel muss aber wohl heißen: Bild  Bild
Dennoch scheint mir, dass man dazu die "Vorschusslorbeeren" anderer braucht.)

Es gibt das schöne alte, vermutlich inzwischen weitgehend vergessene Wort "Respekt zollen":

"zollen: Beifall zollen ↑  applaudieren; Dank zollen danken; Tribut zollen honorieren, Opfer [bringen]."
(Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter)

Kann also nur Respekt erhalten, wer auch bereit und fähig ist, Respekt zu vergeben?

Und schallt es aus dem Wald genauso heraus, wie man in ihn hinein ruft? D.h. erhalte ich im besten Fall nur genau diejenige Art von Respekt, die ich auch anderen entgegenbringe?:

doch noch ein Beispiel aus dem Knast: wer nur andere respektiert, die körperlich stark sind, dem kann nur dann selbst Respekt widerfahren (!), wenn er selbst körperlich stark ist ...

... evtl. also erst dann, wenn er selbst der Stärkste (geworden) ist, andere also schwächer sind und somit keines Respekts mehr würdig (!) scheinen?

So gesehen ist es dann prinzipiell ausgeschlossen, dass man selbst und ein anderer respektabel ist.

(Wohlgemerkt: mir liegt - schon allein aus Unkenntnis - jedes moralische Urteil fern: vielleicht hat ein "Knacki" gar keine Wahl, was er als respektabel ansehen und wie er selbst respektiert werden will, sondern ihm wird das Respekts-Kriterium "körperliche Stärke" einfach - nämlich eben mittels körperlicher Stärke - aufgezwungen.)


Damit hier kein weichgespülter Begriff von "Respekt" entsteht:

"Respekt" scheint mir auch der "Toleranz" ähnlich zu sein, nämlich indem man ohne Rücksicht auf die Person (erstmal gegenüber jedem) Rücksicht nehmen bzw. tolerant sein sollte.

Die Wörter "Respekt" und "Toleranz" passen als moralinsaure und gleichzeitig doch hohle Begriffe aber doch allzu gut in Sonntagsreden, sind hingegen "in freier Wildbahn" oftmals verdammt schwer "umzusetzen":

es ist eben nicht so einfach, die Eigenarten gewisser Menschen zu (er-)dulden und diese Menschen respektvoll und tolerant zu behandeln ... und manchmal ist eben doch das glatte Gegenteil von Respekt und Toleranz angebracht!


Ich habe diesen Aufsatz

 "a little respect (just a little bit)"

unter

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eingeordnet, weil die Radiosendung aus dem Knast mir "nur" überdeutlich gemacht hat, wie enorm wichtig Respekt ist - und zwar auch und gerade in der Schule.


Weil ich skeptisch gegenüber aller heiligmäßigen Selbstlosigkeit bin, fange ich mal mit gesundem Egoismus an: natürlich will auch ich

(nebenbei: wenn heute "allgemeingesellschaftlich" und also auch in Elternhäusern über "die" Lehrer als Bild geschimpft wird und Bild stehen, wirkt sich das natürlich auch auf den [mangelnden] Respekt einiger SchülerInnen aus),

Nun wird man wohl in jedem Beruf ziemlich selten (ausdrücklich) gelobt und muss sich daher seine eigene Respektabilität häufig selbst zusammenreimen: ich glaube schon

(reime es mir zur Rettung meines Selbstbildes so zusammen?),

dass "meine" SchülerInnen zwar vielleicht ab und zu über mich

(meine Begeisterung, meine Widersprüchlichkeit und meinen Genauigkeitsfanatismus?)

schmunzeln oder den Kopf schütteln, die meisten mich aber doch respektieren.

(Und falls es an Respekt gegenüber LehrerInneN mangelt, dann vielleicht, weil Schule heutzutage oftmals keineswegs zu hart, sondern zu soft ist???: SchülerInnen erlauben sich oftmals gegenüber LehrerInneN Respektlosigkeiten

[Frechheiten, Ausdrucksweise, Verspätungen, schlampiges Material ...],

von denen sie ganz genau wissen, dass diese in jedem Beruf undenkbar wären.

Manchmal würde ich mir ja doch wünschen, dass gewisse SchülerInnen ein bisschen mehr Respekt vor mir in meinem "Amt" zeigen würden. Und dennoch: es gibt einen durchaus vorhandenen Respekt [Angst] vor dem "Amt" [der Macht], der den Respekt vor der Person geradezu ausschließt.

Vielleicht sorgen LehrerInnen [ich] aber auch selbst durch unangebracht kumpelhafte Untermischungen dafür, dass ihnen kein Respekt entgegengebracht wird?)

Dennoch ist mein Zentralthema hier aber nicht der Respekt vor mir, sondern der vor den EinzelschülerInneN.


Wohlgemerkt: ich werde den Teufel tun, hier zu behaupten, dass ich SchülerInnen immer respektvoll behandele; ja, es geht mir jetzt noch nach, dass ich vor einigen Wochen eine Schülerin offensichtlich mal - so hat zumindest sie es empfunden - respektlos behandelt habe.

(Ob ich "meine" SchülerInnen zumindest meistens respektvoll behandle, können mir letztlich sowieso "nur" eben "meine" SchülerInnen attestieren.)


Ich möchte hier "nur" - anlässlich der Radiosendung aus dem Jugendknast - ins Gedächtnis rufen

(vor allem mir selbst),

dass viele SchülerInnen vielleicht nach nichts so sehr lechzen
wie nach Respekt.

Im Vergleich damit ist alles andere in der Schule sekundär bzw. nur "Mittel zum Zweck"!

Das heißt

  1. weder, dass es ohne "alles andere" (also z.B. auch Schulstoff) ginge,

  2. noch, dass Schule nun weichgespült sein und Respekt dort mit der Gießkanne verteilt werden sollte.

Zu 1.:

"alles andere" ist die "Halteleine", an der sich Respekt oftmals überhaupt erst aufrichten kann (z.B. Respekt vor einer guten Leistung oder zumindest Bemühen).

Zu 2.:

Der Respekt muss "personalisiert" sein, sich also u.a. auf die individuellen Leistungen von SchülerInnen beziehen: wer ausschließlich (und zur Zeit immer mehr) an einer Norm gemessen wird, erhält evtl. niemals Respekt, weil er immer nur die Latte reißt oder gar unter ihr durchspringt.

"Personalisiert" bzw. "individualisiert" heißt aber dennoch auch "jenseits von Leistung": selbst der völlige Schulversager hat ein Recht auf Respekt.

Dabei vertragen sich "autoritäre" Maßnahmen (z.B. Strafen) durchaus mit Respekt, solange sie

(aber das sagt sich nur so leicht und bleibt leider fast notgedrungen arg pauschal)

nicht die "Persönlichkeit" eines Schülers in Frage stellen: es dürfen wohl Taten bestraft werden ("du hast eine Steckdose eingetreten"), nicht aber die Persönlichkeit ("du bist sozusagen von Geburt an kriminell").

Kommt hinzu, dass wir LehrerInnen auch keine Übermenschen, d.h. oftmals (mit Recht) wirklich böse auf einige SchülerInnen sind. Aber selbst das kann respektvoll geschehen, nämlich solange es nicht "unter die Gürtellinie" geht.

Und weil wir eben keine Heiligen sind, sollten wir bei nunmal anfallenden Fehlern wenigstens (vor der ganzen Klasse) um Entschuldigung bitten können.


Ich kann mich noch bestens daran erinnern, dass mein Lateinlehrer keineswegs - wie schnöde! - körperlich strafte, sondern Schüler (ab und zu auch mich selbst) vor der ganzen Klasse lächerlich machte

(und er machte das so raffiniert, dass alle außer dem jeweiligen Opfer mitlachen mussten):

genau da wurde (vielleicht mehr noch als durch Schläge) jegliche Respektabilität zum Einsturz gebracht: man wollte nur noch vor Scham im Boden versinken

(vor allem wohl auch, weil man noch kein eigenes "Ego" entgegenzusetzen hatte, sondern die eigene Lächerlichkeit ja selbst glaubte: gegen Schläge kann man sich vielleicht innerlich wehren, aber wohl kaum gegen Lächerlichkeit).


Es gibt immerhin den Verdacht, dass gerade in deutschen Schulen besonders oft beschämt wird

(nun neigen die Deutschen aber auch zu Selbstanklagen und sind erst zufrieden, wenn die Welt wieder am deutschen Wesen genesen kann;
ich würde also auf zweierlei Art reagieren:

  1. den Vorwurf erst mal ernst nehmen: was läuft vielleicht gerade in Deutschland schief?

  2. unterstellen, dass es woanders auch nicht immer viel besser ist - was "deutsche Verhältnisse" ja nicht entschuldigt!).

Nur eine von vielen Äußerungen dazu:

"Speziell bei den deutschen Lehrern lässt sich mehr Selbstkritik, aber auch mehr Verzweiflung und Klage finden als in anderen Berufsgruppen. Ein Grund dafür ist, dass ihr Ansehen durch eine planlose Bildungsbürokratie, übertriebene Medienschelte und diffamierende Äußerungen von Politikern - Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa sprach von »faulen Säcken« - systematisch kaputt geredet worden ist.
[...]
Weil Jammern das Klima vergiftet, spricht sich der Philosoph Peter Sloterdijk dafür aus, dass Kinder durch so etwas wie ein »Emissionsschutzgesetz« vor Lehrerpessimismus zu bewahren seien. Der begegne Schülern täglich in unterschwelligen Botschaften wie: "Ihr werdet euch noch wundern, ich selbst wundere mich schon lange nicht mehr."
Damit würden Lehrer zum »Klimaschädling erster Größenordnung«, denn bei den Kindern bleibe haften: »Was immer du von dir selbst halten magst, so wichtig bist du nicht.« Sloterdijk kritisiert die deutsche Schule als eine Art »Impfprogramm, bei dem Kränkungen verabreicht werden«".
(Quelle: Bild ; und ich finds immerhin fair, dass in diesem Textausschnitt "die" Lehrer nicht pauschal abgeurteilt, sondern auch Gründe für ihr Verhalten genannt werden)


Ich glaube also in der Tat,

dass "Respekt" ganz oben auf die schulische - um es neudeutsch zu sagen - "Agenda" gehört

(weit vor - daran gemessen - Nebensächlichkeiten wie Bildungskanon, zentrale Prüfungen usw.; Nebensächlichkeiten, die vielleicht sogar im Hinblick auf Respekt kontraproduktiv sind?)

Wichtig sind dabei Fragen wie


Vgl. auch

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Schlicht und einfach respektlos bis geradezu unverschämt ist beispielsweise ein Fall, der mir jüngst verlässlich berichtet wurde.

Überhaupt kommt mir dieser Fall vor wie Bild aus dem tiefsten 19. Jahrhundert!

Eine Schülerin der 10. Klasse ist dabei erwischt worden, wie sie regelwidrig in einer Pause direkt vor dem Schultor rauchte. Als Strafe dafür hat sie nun

(nebenbei: ohne jegliche Information der Eltern!)

auferlegt bekommen, dass sie zwei (!) Wochen lang in jeder (!) Pause auf einem speziell dafür hingestellten Stuhl direkt vor dem Lehrerzimmer

(wo täglich sämtliche LehrerInnen und vermutlich auch hunderte von SchülerInneN vorbei kommen!)

sitzen muss. Zusätzliche Auflage (der Gipfel der Frechheit!) ist, dass niemand (weder SchülerInnen noch LehrerInnen) mit ihr sprechen darf.

Von "Angemessenheit" (also einem Zusammenhang zwischen "Straftat" und Strafe) kann da wahrhaft keine Rede mehr sein, sondern das ist schlichtweg eine hundsgemeine Beschämung:

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Ich bin zwar skeptisch, wenn allzu reflexartig die Nationalsozialismus-Keule hervor geholt wird - und dennoch:

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All das heißt ja nicht, dass die Schülerin, die sich nunmal eine Regelverletzung hat zuschulden kommen lassen, "straffrei" ausgehen sollte. Aber ich könnte mir doch eine Variante vorstellen, in der (was ja nicht immer möglich ist) eben die "Straftat" mit der Strafe zusammenhinge: die Schülerin wird verdonnert, alle Kippen, die direkt vor dem Schulgelände durch die Raucher unachtsam auf den Boden geworfen werden, (mehrfach) zu entfernen. Und falls auch das als "Vorführen" wahrgenommen werden sollte, könnte sie es ja nach der Unterrichtszeit tun.

Wohlgemerkt:

Sowas würde die genannte Strafaktion zwar ein wenig verständlicher machen, aber dennoch nicht entschuldigen: diese Aktion muss umgehend (mit einer Entschuldigung der LehrerInnen bei der Schülerin und ihren Eltern!) rückgängig gemacht werden. Basta!

Das Ganze hat nicht an "meiner", sondern an einer anderen Schule stattgefunden, und ich kann mir auch (naiv?) beim besten Willen nicht vorstellen, dass solch eine Aktion an "meiner" Schule möglich wäre, und zwar schon gar nicht als Beschluss einer Klassenkonferenz

(statt bloß eines Einzellehrers; und wenn es im o.g. Fall der Beschluss eines Einzellehrers war, so wäre es Aufgabe der anderen LehrerInnen [und sowieso der Schulleitung], gegen diese Strafaktion vorzugehen - oder zumindest "regelwidrig" mit der vor dem Lehrerzimmer sitzenden Schülerin zu sprechen. Ich z.B. würde [so denke ich jetzt zumindest] sie erst mal mit Süßigkeiten und Kaffee versorgen und/oder mir einen zweiten Stuhl dahinstellen und mich dazusetzen).

Zuguterletzt: vermutlich habe ich in zwanzig Jahren unwissentlich auch schon vielfach SchülerInnen beschämt, aber doch (hoffe ich!) niemals mit einer derart geradezu auf Beschämung angelegten Aktion.