schafft die Klausuren ab!
"Der Sonderparteitag sei bereits Mitte Mai.
Danach beginne der Wahlkampf. Der Wahlkampf. Das klang wie Abitur oder
Leben und Tod oder Jüngstes Gericht." (Joachim Zelter: "Der Ministerpräsident") Kurt Tucholsky hat mal von jemandem erzählt, der "träumte, daß er sein Abitur noch einmal machen müßte, und das Thema zum deutschen Aufsatz lautete: »Goethe als solcher«". |
Ich bin ja nicht blöd, sondern weiß ganz genau, dass ich hier etwas Utopisches fordere:
die Abschaffung des Götzen der (natürlich nur vermeintlichen) Objektivität, was insbesondere derzeit unzeitgemäß wirkt, wo doch die Rufe der Phantasielosen (und Verzweifelten) nach einem Zentralabitur immer lauter werden. |
Noch der nebensächlichste Grund für die Abschaffung der Klausuren ist , denn das ist nur Notwehr von LehrerInneN.
Viel wichtigere Gründe sind hingegen:
Jedes punktuelle Prüfen ist kontraproduktiv: da wird nicht geprüft, was jemand kann, sondern nur, was er unter Zeitdruck kann. Das Dogma der Phantasielosen bzw. Sadisten:
(und das überhaupt dämlichste Argument ist, SchülerInnen müssten auf "das Leben", d.h. spätere Prüfungen unter Zeitdruck vorbereitet werden; ein Argument, das nur irgendwelchen "Freie(?)-Wirtschafts-Komplexen" angeblich unproduktiver LehrerInnen entstammt, die nun ihre scheinbare Nutzlosigkeit überkompensieren, d.h. von SchülerInnen ausbaden lassen).
Aber selbstverständlich würde ich sofort auch die Abiturprüfungen abschaffen: es würde allein der Schnitt der vorherigen Halbjahre zählen, d.h. die bisherige "Zulassung" wäre das Abitur selbst. Das hätte auch den Vorteil, dass die SchülerInnen den Wert der vorherigen Halbjahre höher einschätzen würden.
(Und für eine - dann einzig wichtige - Durchschnittszensur unter "befriedigend" gäbe es eben kein Abitur; vgl. )
Wenn man aber partout doch den Initiationsritus Abitur beibehalten möchte, könnte er ja folgendermaßen aussehen:
(links die Schulleiterin, rechts der Abiturient)
Klausuren lenken das Augenmerk der SchülerInnen komplett vom sonstigen Unterricht (und sowieso allen Inhalten) ab, der sie - wenn überhaupt - nur im Hinblick auf Klausuren interessiert.
(Was allerdings auch wohl daran liegt, dass SchülerInnen wohl mal in einer Klausur, aber doch nicht immer im Unterricht konzentriert sein können.)
Man schaue sich doch nur mal an, wie SchülerInnen sich im sonstigen Unterricht und dann in Klausuren verhalten: selbst die ewig Schweigsamen oder die Störenfriede sind in Klausuren urplötzlich lammfromm und bienenfleißig
(Klausuren sind sozusagen der Gottesdienst vor dem Altar des Leistungsdrucks):
Klausuren und Stoffdruck sind zwei Seiten derselben Medaille: sie machen jegliche kontinuierliche und individuelle Arbeit kaputt, und immer wieder denkt man als LehrerIn: es gäbe zwar noch so viele interessante Hintergründe, aber jetzt muss ich aufhören und zu Potte kommen (den SchülerInnen was eintrichtern), denn DIE NäCHSTE KLAUSUR DROHT:
(Und wir wissen alle, dass Klausuren oftmals keineswegs dann geschrieben werden, wenn ein Stoff zu Ende gedacht ist, sondern vielfach werden Stoffe auf den Klausurtermin "hingewürgt": "jetzt muss ich noch ganz schnell etwas durchnehmen, was abprüfbar und bewertbar ist.")
Klausuren und Stoffdruck sorgen - wie jeder weiß! - dafür, dass SchülerInnen nur auf den (Klausurzeit-)Punkt hin lernen - und kurz drauf alles vergessen haben: zum einen Ohr rein, zum anderen raus:
der endgültige Beweis dafür, dass keine Inhalte, sondern nur Prüfungen interessieren. (Und die meisten Klausuren - insbesondere in Mathematik und Naturwissenschaften - sind ja auch so stumpf-verlässlich konstruiert, dass sie nur den eben gerade durchgenommenen Stoff abprüfen; da möcht´ ich gar nicht an denken!)
3/4 aller Energie der Lehrkraft gehen für das verdammte Korrigieren drauf, das zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist bzw. sich nur noch der klinische Tod des Patienten feststellen lässt.
Ich wette, der Unterricht (also der eigentliche Sinn von Schule) wäre erheblich besser, wenn man die Energie der LehrerInnen von diesen endlosen nachträglichen Korrekturen auf die Unterrichtsvorbereitung umlenken könnte.
Dieses Korrigieren a posteriori ist auch fatal, weil die SchülerInnen nichts mehr aus ihren Fehlern lernen können. All die "Liebesmüh", die LehrerInnen auf Rechtschreibekorrekturen, aber auch Kommentare verwenden, interessiert (verständlicherweise!) die SchülerInnen doch gar nicht, sondern allein die Zensur. Bzw. die Fehler interessieren sie nur insofern, als sich da eventuell doch noch eine bessere Zensur raushandeln ließe
(ach, dieses leidige Gefeilsche um Zensuren, und zwar meist sogar eher durch jene [Streber?], die sowieso schon gut stehen).
Die rote Farbe, in der da korrigiert wird
ist grenzenlos demotivierend, der Eindruck nämlich immer: "ALLES falsch". |
Korrekturen (in der üblichen Masse) können beim besten Willen nicht individuell auf die SchülerInnen eingehen, sondern erfolgen nach Schema F, auch "Objektivität" genannt (Aufgabe 1 bei sämtlichen SchülerInneN, Aufgabe 2 bei sämtlichen SchülerInneN usw. usf.)
(Und schon gar nicht bringen die üblichen "Verbesserungen" etwas:
in Mathe wird dann oftmals nur unverstanden die richtige Lösung hingeschrieben,
und in Deutsch sind die SchülerInnen etwa bei einem "A" [Ausdrucksfehler] völlig hilflos, weil sie nicht das mindeste Gespür haben, worin der [unerklärte] Fehler bestand, der für ihr Gespür ja durchaus richtig war.)
Meine Ablehnung von Klausuren bedeutet natürlich (!) nicht ein laissez faire, sondern ich würde die SchülerInnen nur ganz anders triezen. Vgl. etwa "die Selbstlernlüge" und "Selbstlernen radikal".
Jede Wette, dass SchülerInnen dann erheblich deftiger arbeiten würden!
Zugegeben, es gibt auch europäische Länder, die genau umgekehrt verfahren:
der laufende Unterricht (das "Mündliche") geht überhaupt nicht in die Bewertung ein,
zur Leistungsbewertung zählen allein die Klausuren.
Und da wird dann auch personell getrennt: der unterrichtende Lehrer stellt nicht die (Zentral-)Klausuren.
Vorteil: der Unterricht wird angstfreier und vielleicht gerade dadurch das "Mündliche" besser.
Nachteile:
die gesamte Leistungsbewertung hängt nur noch von punktuellen Leistungen ab - und da kann doch jemand (etwa mit Prüfungsangst) schwer "reinfallen",
es zählt überhaupt nicht, ob jemand besser im Kollektiv arbeiten und denken kann.