die SchülerInnen wissen schon alles
(und die Schule läuft nur noch [aussichtslos?] hinterher)

Bild

Keine Frage: Schule sollte "eigentlich" bei dem ansetzen, was SchülerInnen (individuell, altersgemäß) bereits wissen, und von da ausgehend in neue Gefilde führen.

Ich habe es ja in langer Beschäftigung mit Selbstlernprojekten erfahren:


Ach, die Kids sind heutzutage ja alle derart Bild hochbegabt, dass wir (LehrerInnen) ihnen rein gar nichts mehr beibringen, sondern nur noch hinterherhecheln können.

Spaß beiseite: es sind ja keineswegs nur die neunmal- und altklugen Kids sowie die Streber, die immer vorarbeiten

(oder sind sie einfach wohltuend neugierig?),

die immer schon alles wissen, sondern (inzwischen) fast alle SchülerInnen.

Drei Beispiele aus meinem Unterricht der letzten Zeit:

  1. Bei den Anfängen der Kreisumfangsberechnung sagten SchülerInnen prompt, das gehe nach der Formel U = 2 Bild r, wobei Bild "3 und ein paar Gequetschte" sei

(vgl. Bild );

  1. Als es an die Lösung exponentieller Gleichungen der Form a = bx ging, sagten SchülerInnen sofort, das gehe mit dem Logarithmus, und zwar mit der Gleichung x = log (a) / log (b), und mittels Taschenrechner kamen sie dann auch prompt zu den Ergebnissen.

  2. Auf meine Nachfrage, weshalb es Jahreszeiten gebe (vgl. Bild ), sagte ein Schüler sofort, das liege daran, dass sich die Erde um die Sonne drehe.

Dieses letzte Beispiel ist gleichzeitig auch das aufschlussreichste, denn als ich den Schüler fragte, ob er mir das genauer erklären könne, musste er passen bzw. sagte er nur: "Das ist nunmal so."

Bei den mathematischen Beispielen 1. und 2. stellte sich aber heraus, dass für die SchülerInnen schon alle Probleme gelöst waren, und sie konnten bei der von mir dann dennoch erzwungenen (!) Herleitung hinter die  Erkenntnis "Bild" einfach nicht mehr zurück, sondern argumentierten in einem Zirkelschluss immer schon mit eben diesem Bild.

An all dem Schlamassel war ich ja durchaus teilweise mitschuldig, hatte ich doch bei den Exponentialfunktionen schon lange vorher den "Logarithmus" erwähnt, und zwar, um frühzeitig die Angst vor diesem notorischen Angstthema abzubauen und überhaupt zu zeigen, wo der Weg (in der Zukunft) lang gehen würde.

Weil die SchülerInnen schon so viel (halb) wissen, können sie kaum mehr hinter diesen Wissensstand zurück, wollen also auch meist gar nicht mehr wissen, wie man zu den jeweiligen Erkenntnissen kommen kann.

(Es ist geradezu paradox: die LehrerInnen, die schon alles [?] wissen, möchten doch gleichzeitig wissen, wie man überhaupt dahin kommen kann, während die SchülerInnen, die noch nichts [?] wissen, kein Interesse haben, wie man dahin kommt.)

Vielleicht interessiert es viele SchülerInnen auch nicht, weshalb etwas so ist, weil ihnen alle Erkenntnisse

(auch und gerade im üblichen Unterricht)

wie Betonklötze vom Himmel zu fallen scheinen, und wer würde es wagen, die Entscheidungen "Gottes" anzuzweifeln?

(Sehr viele SchülerInnen wollen einfach nur stur nach Formeln rechnen können - weil sie genau wissen, dass nur das in üblichen Klassenarbeiten zählt.)

Sicherlich "bringt" die Schule auch viel (für die SchülerInnen) Neues bei, aber manchmal scheint mir doch, dass sie aussichtslos hinter dem (Halb-)Bekannten her hechelt.

Und schon gar keine Chance haben Schulen gegen die medialen Effekte beispielsweise in "Wissenschaftsshows" oder naturwissenschaftlichen "Show-Museen"

(vgl. Bild oder "deutschlands größtes klassenzimmer/Science House; Europa-Park Rust):

Schulen haben nicht das Geld und LehrerInnen nicht die Zeit, solch großartige Effekte aufzubauen, ja,

Schule muss wohl stiller und "meditativer" als solche Effekthascherei sein.

Schule muss gegen den Trend das herleiten, was allzu allgemein bekannt ist.

Und doch klingt das nach aussichtslosem Rückzugsgefecht und gerade deshalb nach "ohne Rücksicht auf Verluste" - und entbindet es nicht von der Aufgabe, die SchülerInnen dort "abzuholen", wo sie nunmal sind.