eine der zentralen pädagogischen Behauptungen/Fragen:
"Früher hatte er [...] breiter gefächerte Interessen
und kümmerte sich mehr um die Gründe und Ursachen der Dinge."

  "[...] [Die Papageien] zeigen [...] Verhaltensweisen, die als Zeichen für hohe Intelligenz und Lernbereitschaft gelten: Die meisten Papageienarten sind ausgesprochen neugierig und verspielt."
(zitiert nach )


Ich seh's ja an meinem sechsjährigen Sohn:

wenn wir so rundum interessiert und aufnahmefähig geblieben wären wie in unseren ersten Jahren, so wären wir mit 20 Jahren alle Genies gewesen.

Vgl. auch Bild ?

Neu ist "das alles" ja nicht: wie Randal Keynes in seinem (phantastischen!) Darwin-Buch auf S. 122f  berichtet, machte sich schon Charles Darwin Sorgen wegen seines Sohnes Willy, als dieser auf die berühmte Lateinschule in Rugby kam. Darwin

"[...] glaubte [...], »die einschränkende Wirkung der ständigen Beschäftigung mit den alten Sprachen auf seinen Geist« beobachten zu können: »Früher hatte er, glaube ich, breiter gefächerte Interessen und kümmerte sich mehr um die Gründe und Ursachen der Dinge.«"

Darwin führte also das Problem auf die Lateinschule in Rugby und damit vielleicht auch allgemeiner auf das Phänomen "Schule" zurück.

In der Tat zerdeppert ja das Schulsystem bzw. die Durchschnittsschule so einiges Porzellan, treibt nämlich vielen SchülerInneN "breiter gefächerte Interessen" und solche an den "Gründe[n] und Ursachen der Dinge" regelrecht aus.

"Wir" LehrerInnen kennen es doch alle: in der Grund- und zu Beginn der weiterführenden Schule sind viele SchülerInnen noch rundum interessiert und neugierig, aber irgendwann in der Mittelstufe konvergiert ihr Interesse gegen Null: sie haben eben keine "breiter gefächerte[n] Interessen" mehr, und schon gar nicht für "die Gründe und Ursachen der Dinge".

(Ich bin mir nebenbei gar nicht so sicher, ob sie nur keine Interessen mehr auf halbwegs "schulischen" Gebieten  haben. Oder anders gesagt: ich verstehe ja allemal, dass jemand sich nicht [mehr] für Mathematik interessiert, aber wieso sind viele SchülerInnen auch nicht mehr neugierig beispielsweise auf  .)

Darwins

(noch auf den Einzelfall seines Sohnes bzw. der Lateinschule in Rugby begrenzte)

Behauptung stimmt also noch heute bzw. ist geradezu überzeitlich richtig.

Aber wenn Darwins Behauptung "überzeitlich" zutrifft, stellt sich doch auch die Frage, warum viele Kinder bzw. Jugendliche "das" Interesse verlieren.

Eine Antwort hat, wie schon gezeigt, Darwin ja selbst gegeben, nämlich die spezielle Lateinschule bzw. "die Schule als solche".

(Nebenbei: ich möchte hier gar nicht diskutieren, ob ein Großteil alte Sprachen eigentlich so schädlich ist.
Und ebenfalls möchte ich mich hier nicht fragen, wie Schule es schafft, Interessen zu zerstören.)

Aber man kann "der" Schule auch nicht die Allein"schuld" geben.

(Was ich hier nicht sage, um die Schule letztlich doch zu entschuldigen und aus der Verantwortung zu entlassen.)

Ebenso sind außerschulische Einflüsse (Verachtung von Bildung, Konsum ...) sowie die vielzitierte Pubertät Gründe für das Problem.


Das aufgezeigte Problem scheint mir viel zentraler als sämtliche derzeit gehandelten bildungspolitischen Probleme.

Denn das wird ja heutzutage (resigniert, wie man ist) kaum (mehr) diskutiert:
  • wie (ob?) man das Interesse der SchülerInnen fördern oder zumindest doch halbwegs erhalten statt sogar noch zerstören
  • und ob das nicht vielleicht eine (die zentrale?) Voraussetzung für besseres Lernen sein könnte.

Wenn man pessimistisch ist, kann man jetzt natürlich einwenden, dass die überzeitliche Richtigkeit von Darwins Behauptung ja nur beweise, dass das Problem sowieso nicht zu beheben sei und somit (oder gerade deswegen) eben doch andere schulpolitische Maßnahmen (Maßregelungen!) ihren Wert hätten.

Vgl. auch Bild und .