Eleganz in Straßenverkehr und Mathematik
(- - - Ideallinie beim Autorennen)
"Um Gottes willen, im Folgenden wird ja nie richtig gerechnet." "Es ist ja auch nur Funktionsgraphenpropädeutik." |
Die meisten Raser haben einfach kein Gespür für Eleganz
(zu der ja durchaus auch zügiges Fahren gehört: schneckenhaft langsames Fahren sowie ewiges "Pumpen" [Beschleunigen und wieder zurückfallen bzw. Abbremsen] sind allemal auch nicht elegant;
Vorsicht: "zügig" ist allerdings leider oftmals nur ein Euphemismus für Raserei).
Elegant fahren, d.h.
jeden Richtungs- und Spurwechsel frühzeitig mit dem vielen Leuten doch unbekannten Blinker anzuzeigen
(und nebenbei immer erst zu blinken und dann zu bremsen, damit der nachfolgende Verkehr vor zukünftigen Aktionen gewarnt ist, statt vor längst eingeleitete Tatsachen gestellt zu werden);
bei freier (gerader) Strecke konstant dieselbe Geschwindigkeit zu fahren
(statt eben permanent zu "pumpen";
immer dieselbe Geschwindigkeit zu fahren sei langweilig? Autofahren ist sowieso sterbenslangweilig, weshalb viele einen restlos veralteten "Schaltknüppel" brauchen, um überhaupt was zu tun).
gegebenenfalls notwendige Beschleunigungs- und Bremsvorgänge sanft zu gestalten
(statt pubertär den Motor aufheulen und die Reifen bzw. die Bremsen quietschen zu lassen).
"sanft" heißt aber mathematisch ausgedrückt:
die Geschwindigkeitskurve sollte nicht "zackig"
,
sondern geschwungen ("differenzierbar") sein:
Ebenso sollte das Anhalten "geschwungen" sein: wenn ich mich im Auto oder auf dem Fahrrad einer roten Ampel nähere
(und kein anderes Auto bzw. Fahrrad hinter mir ist),
so versuche ich, das Auto bzw. Fahrrad ohne Bremsen auslaufen zu lassen, bis es ohne jedes spürbare Rucken hält:
Und wenn die Ampel absehbar bald wieder grün werden wird, versuche ich "asymptotisch" auf eine geringe Geschwindigkeit zu kommen, von der aus ich, sobald die Ampel dann tatsächlich grün wird, wieder "geschwungen" beschleunigen kann:
Im Extremfall kann das auf dem Fahrrad bedeuten, dass das Fahrrad bereits steht und ich, um nicht absteigen zu müssen, noch einige Sekunden jonglieren muss:
Oder bei Ortseingangsschildern versuche ich, diese ohne Bremsen, sondern einfach durch Fuß-vom-Gas-Nehmen exakt mit 50 km/h die Ortseingangsschilder zu erreichen:
(Ich verstehe also Verkehrszeichen nicht als [zu ignorierende] Schikanen, sondern eher als Herausforderungen. Für Aufstand gegen staatliche Schikanen gibt es weit bessere Anlässe als den lebensgefährlichen Verkehr!
Und überhaupt steckt hinter all meinem geschilderten Verkehrsverhalten kein [Selbst-]Zwang, sondern schlichtweg Gewohnheit.)
Sogar die Lautstärke- bzw. Motorgeräuschkurve sollte geschwungen statt "gezackt" sein, und wer ein Ohr dafür hat, braucht keinen dieser lächerlichen "sportiven" Drehzahlmesser.
Auch das Schalten/Kuppeln, das vielen Anfängern ja so schwer fällt, ist einerseits eine taktile Angelegenheit
(Gas wegnehmen, die Kupplung tief und lange genug durchtreten, im richtigen Augenblick schalten),
dann aber auch eine akustische: der Motor sollte nicht über- und untertourig laufen
(mit derart aufheulendem
Motor [= Brunftschrei] schalten nur
extrem nach vorne
gelehnte Spätpubertierende auf ihren Japsen-Schleudern),
sondern die (akustischen) Übergänge sollten geschwungen sein:
(Nebenbei: zwar braucht eine Automatik mehr Benzin als ein guter Fahrer, aber die allermeisten schalten schlechter als eine Automatik.)
Und wie denn wohl fährt man etwa durch folgende Kurve?:
Doch wohl so, dass man
auf der geraden Strecke vor der Kurve schnell fährt,
bei (kurz vor) der enger werdenden Kurve langsamer wird,
an der engsten Stelle noch langsamer fährt,
bei der wieder weiteren Kurve wieder ein wenig beschleunigt und erst
bei der geraden Strecke nach der Kurve wieder schnell fährt, und das alles natürlich
mit geschwungenen Übergängen:
(Hier ergibt also die eine geschwungene Linie [die Straßenkurve] die andere [die Geschwindigkeitskurve], und überhaupt sind wir hier verdächtig nahe an der mathematischen "Ableitung".)
möglichst eine sanfte "Ideallinie" einhalten:
Im öffentlichen Straßenverkehr können Autofahrer sowieso kaum Ideallinien fahren: sie haben in ihrer Spur zu bleiben, die etwa genauso breit ist wir ihr Auto. Ideallinien sind also weitgehend Motorradfahrern vorbehalten
(und so sieht's aus, wenn diese zwecks Ideallinie doch mal die Gegenfahrbahn mitbenutzen: ).
Der Reiz des
Motorradfahrens liegt wohl
darin, dass ein Motorrad "Cabrio rundum" ist,
darin, dass es nicht brettplatt auf der Straße liegt, sondern sich geschmeidig in die Kurven legt
(im Vergleich damit sind Autos behäbige Sofas),
und vor allem in
Kurvenfahrten:
ein
Motorrad auf einer pillegraden Straße ist einfach witzlos - es sei denn, man
(= gut betuchte Orthopäden in der midlife-crisis)
ist Harley-Fahrer:
"Wir sind
Blindgänger."
Motorradfahrer
tun, was
andere nur indirekt aus Filmen oder Computerspielen kennen:
Geschwindigkeit.
(Man kann sich über die ewig gleichen Verfolgungsjagden mit anschließenden Feuerball-Explosionen in action-Filmen zu Tode langweilen
[wieso sind nach
überhaupt noch weitere Verfolgungsjagden gedreht worden?],
man kann
aber auch versuchen, dieses Motiv [ansatzweise] zu verstehen:
Geschwindigkeit
[die erst in engen "Korridoren" überdeutlich wird]
ist offensichtlich für viele Menschen enorm faszinierend:
Einen guten
Motorradfahrer macht es auch aus, in Kurven immer die "Ideallinie" zu fahren. Dieses "Durch-Kurven-Gleiten" hat
aber geradezu seinen ästhetischen Reiz, der sich auch mathematisch fassen lässt: solch eine Ideallinie ist "stetig", d.h.
ununterbrochen, "differenzierbar", d.h. (vereinfacht
gesagt) ohne Knicke: ein guter Motorradfahrer bewegt das Lenkrad sanft hin und
her, statt es abrupt "rumzureißen". Der
Inbegriff von "schön geschwungen", also "stetig" und "differenzierbar", ist
aber die Sinuskurve, und in der Tat habe ich schon oft Motorradfahrer
gesehen, die für kurze Zeit wie Skifahrer "wedelten":
Leider werden
aber die Begriffe
"stetig" und "differenzierbar" in Schulen nie wirklich veranschaulicht,
vielleicht auch deshalb, weil (fast) sämtliche in der Schule durchgenommenen
Funktionen sowieso stetig und differenzierbar sind. (wobei wir hier von dem überholtem Auto oder nachfolgendem Verkehr absehen): Das Auto muss also von A nach B kommen, und zwar möglichst, indem das Steuer nicht wild zur Seite gerissen, der Kurs also nicht "zackig" wird und das Auto nicht ins Schleudern gerät. Übertrieben dargestellt: Sondern ideal wäre etwa Folgendes: Oder jetzt abstrahiert, also ohne Straße und Auto(s): , also fast die gerade Verbindung ∙∙∙∙∙∙∙∙∙ von A nach B, aber in A und B doch jeweils tangential zu --- bzw. --- . Kommen wir damit zur Kurvendurchfahrt , wobei hier der Einfachheit halber nur die grüne als Ideallinie betrachtet sei: "Ideallinie" bedeutet hier also: tangential an --- im Punkt A, tangential an --- im Punkt S (= Scheitelpunkt der Kurve ---) , d.h. auch tangential zur Tangente --- dort, wieder tangential an --- im Punkt B. Wenn die Kurve nicht wäre, wäre die beste Verbindung natürlich die gerade Verbindung zwischen A und B, also - - - - : Da das aber wegen der Kurve nicht möglich ist, folgert die Internetseite sehr schön: "Der Grundgedanke ist möglichst gerade durch die Kurve zu kommen." Und das ist geradezu typisch mathematisch: die Mathematiker können eh nicht mit Krummem umgehen, bzw. wenn, so nur auf dem Umweg über Gerades. Es ist - nebenbei - eine schöne Veranschaulichung von Ideallinien, wenn man statt der Straße einen durchsichtigen Schlauch nimmt und als Ideallinie durch ihn ein "Rohrreinigungsspirale" zieht: (Bemerkenswert dabei ist, dass dieses Schlauch-Ideallinien-Modell sogar im Dreidimensionalen funktioniert.) Um ein "Gefühl" für Ideallinien (und ganz nebenbei auch für Funktionsgraphen!) zu entwickeln, kann man beispielsweise den Nürburgring
oder den Hockenheimring
virtuell "nachfahren"
das Smartphone-Spiel "Bike race"
:
Besonders gelungen
daran ist, dass der Spieler die Kurven selbst im Kopf stetig und differenzierbar
ergänzen muss:
einfach mitten im Matheunterricht beispielsweise spielen, wenn auch jetzt mit der Vorgabe, keine lustigen Crashs zu bauen, sondern möglichst schnell, aber doch ohne Unfall durchzukommen, mit Modellautos oder auf einer Cart-Bahn (Bildungsausflug!) mit echten Carts üben. All das wird viel zu wenig in Fahrschulen beigebracht, bzw. "wehe, wenn sie losgelassen". Nebenbei: elegantes Fahren macht durchaus Spaß: kann ich so fahren, dass mein Beifahrer, wenn er die Augen schließt, die Richtungsänderungen gar nicht bemerkt? elegantes Fahren (Tempolimit!) macht nachweislich den Verkehr flüssiger: die Raser sind ja (ohne Tempolimit) kaum schneller, weil sie beim nächstbesten "Verkehrshindernis" (jemandem, der "nur" 150 km/h fährt) eben doch wieder abbremsen müssen - und andauernd Unfälle bauen, die den Verkehr dann endgültig zum Stillstand bringen. Wirklich elegant ist, was ich mal über einen Flug nach New York gelesen habe: dass (abgesehen von Start und Landung) eine Münze während des gesamten Flugs seitlich auf der Kante stehen blieb und auch nicht wegrollte (dass man also Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen kaum bemerkt). Ich schlag mir auf die Schenkel: da lernt man doch glatt von der Mathematik für den Straßenverkehr und vom Straßenverkehr für die Mathematik. Denn die allermeisten mathematischen Funktionsgraphen sollten eben auch vor allem sanft geschwungen sein: Man sollte allerdings nicht nur elegant fahren, sondern auch elegante Straßen bauen (allerdings auch so wenig Naturraum zerstören wie möglich). Nicht elegant sind so einige Autobahnabfahrten bzw. -übergänge, z.B. das Kasseler Kreuz: Wenn man von der A 44 (Westen, links) kommt und auf die A 7 Richtung Hannover/Hamburg (Norden, oben) möchte, fährt man erst durch eine noch relativ weit ausgelegte erste Kurve, dann ein Stück geradeaus und zuguterletzt urplötzlich durch eine extrem enge zweite Kurve. Also nix mit fließendem Übergang bzw. gleichmäßiger (verlässlicher) Krümmung. Dabei steckt hinter der Frage, wie man zwei Straßen möglichst "gleichmäßig" verbinden kann, ein durchaus interessantes mathematisches Problem (vgl. ). Nur habe ich was dagegen, ein ursprünglich mathematisches Problem als (Straßen-)"Anwendungs"-Aufgabe zu verpacken. Ich würde doch erst mal Straßenbauingenieure fragen, ob und wie sich das Problem bei ihnen stellt, und dann überlegen, ob und wie das anwendungsnah in Schulmathematik übersetzt werden kann (vgl. ).
Schauen wir uns die (einzige?) Ideallinie zuerst an einem ganz einfachen Beispiel, nämlich einem Spurwechsel etwa nach einem Überholvorgang, an
Eine in jeder Hinsicht "geschwungene" Fahrweise schont