das mathematische

  "Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die fünf Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.
Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel des Elefanten betastet. Er sprach: »Ein Elefant ist wie ein langer Arm.«
Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: »Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer.«
Der dritte Gelehrte sprach: »Aber nein, ein Elefant ist wie eine dicke Säule.« Er hatte ein Bein des Elefanten berührt.
Der vierte Weise sagte: »Also ich finde, ein Elefant ist wie eine kleine Strippe mit ein paar Haaren am Ende«, denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet.
Und der fünfte Weise berichtete seinem König: »Also ich sage, ein Elefant ist wie ein riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf.« Dieser Gelehrte hatte den Rumpf des Tieres berührt."

Weil in Schulen der Funktionsbegriff

(mit Recht!)

so im Mittelpunkt steht, gibt es wohl kaum einen "Satz", der so wichtig ist wie

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

Also z.B.: 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  der Punkt P ( 2,5 | 6,25 ) liegt auf der Normalparabel

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) 2,5 und 6,25 erfüllen die Funktionsgleichung y = x2, denn 6,25 = 2,52

Aber 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  der Punkt P ( 2,5 | 6 ) liegt nicht auf der Normalparabel

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) 2,5 und 6 erfüllen nicht die Funktionsgleichung y = x2, denn 6 2,52

Wichtig an 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

ist schon allein, dass Insbesondere gilt: Man mache sich aber vor allem klar, dass in der Tabelle 
  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

erwähnt werden!

Im rosa und  im hellblauen Feld steht ein und derselbe Sachverhalt, nur wird er in zwei verschiedenen "Sprachen" ausgedrückt, nämlich

(vgl. ).

Gesucht wären zumindest doch deutsche Untertitel. Nun sind aber die beiden Aussagen  

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

bereits in Deutsch formuliert. "Finnisch", "Ungarisch" sind aber "nur" metaphorische Ausdrücke für "unverständlich", und entsprechend bedeutet "Deutsch" hier nicht eine National-, sondern eine verständliche (Mutter-)Sprache. Es fragt sich so gesehen, ob die unverständlichen geometrischen bzw. algebraischen Aussagen in einer einzigen (welcher?), sozusagen muttersprachlichen Aussage aufgehoben werden könnten.

Allerdings schwant mir, dass die Einzelaussagen gar nicht unverständlich sind

(also nicht in Finnisch oder Ungarisch),

sondern jeweils einzeln durchaus "deutsch"-verständlich. Das Problem für viele SchülerInnen besteht eher darin, den Zusammenhang zwischen den beiden (durchaus verständlichen) Aussagen zu erkennen

(es ist wie mit Texten im Deutschunterricht: die Probleme vieler SchülerInnen mit ihnen besteht meistens nicht in unverständlichen Fremdwörtern

[die lassen sich leicht nachschlagen bzw. vom Lehrer erklären],

sondern in der Argumentationslogik, d.h. in den Zusammenhängen).


Der "Satz" 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

ist ein

(und ich behaupte mal: der wichtigste!)

Bestandteil des absolut zentralen Schulmathematikprojekts

Bild oder Bild.

Hinter diesem Projekt steckten mehrere Wünsche:

(also z.B.: liegt ein Punkt denn wirklich genau auf einem Funktionsgraphen oder ein ganz klein wenig [kaum oder gar nicht sichtbar] daneben?)


Allerdings frage ich mich, ob

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

überhaupt im mathematischen Sinne ein "Satz" ist, und deshalb schreibe ich "Satz" ja auch andauernd in Anführungszeichen. Denn dieser "Satz" wird ja nicht bewiesen, sondern mit ihm wird der Funktionsgraph (die Geometrie) überhaupt erst erzeugt:

Und wenn ich das für viele x mache, entsteht

.

Kein Wunder (also nicht zu beweisen), dass dann auch die Umkehrung gilt, dass also die Koordinaten 3 und 9 des Punktes P auch wieder die Funktionsgleichung erfüllen.

Gerade aber mit der Entstehung eines Einzelpunktes und dann aller Punkte eines Funktionsgraphen haben viele SchülerInnen ihre lieben Schwierigkeiten:

ein Beispiel: vielleicht können sie noch den Funktionsgraphen der linearen Funktion f: y = 2x + 3 zeichnen, indem sie

,

,

.

Aber das bleibt in der Regel angelerntes

(und oftmals ja durchaus hilfreiches!)

Rezept, d.h. die SchülerInnen wissen oftmals nicht, warum das Rezept funktioniert, d.h. warum die beiden Punkte P ( 0 | 3) und Q ( 1 | 5 ) auf der Geraden liegen bzw. sie erzeugen.


Mehr noch: viele SchülerInnen haben überhaupt nicht begriffen,

  1. wie Bild ist

(und dass mit ihm überhaupt erst ein anSCHAUliches Verständnis von Funktionen möglich ist), 

  1.  wie Bild aber auch Punkte und somit Graphen in ihm entstehen

(wobei Bild signalisiert, dass es eben  nicht so einfach ist, SchülerInnen also nicht "einfach nur blöd" sind):


Im Grunde haben viele SchülerInnen nicht begriffen, dass

x rein

Bild

  y raus

ist, die jedem (also unendlich vielen!) x stumpf als y jeweils das Zweifache plus 3 zuordnet,

Bild

Und das liegt daran, dass

(wobei es ja auch gar nicht möglich ist, alle [also unendlich viele] Punkte zu berechnen und dann einzuzeichnen)

(z.B. schon fertig kaufbar   )

benutzt werden.


Mit der sukzessiven Entstehung von Funktionsgraphen

(anhand von 10.000 und eben nicht, wie oft üblich, an anderthalb Beispielen)

ist schon ein erster Weg zur Lösung des eigentlichen Problems gezeigt, nämlich wie man den so eminent wichtigen "Satz" 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

in die Schülerhirne reinrammen kann:

SchülerInnen müssen wohl an 10.000 Beispielen hin und her übersetzen, also von der Geometrie in die Algebra und umgekehrt: (nur) Übung macht den Meister, bzw. das stumpfe Einpauken hat durchaus etwas für sich.

Genauso kann man 7239 mal eben den "Satz" 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

auswendig lernen und aufsagen lassen:

"Schreibe 7239 mal: »Ich soll meinem Lehrer nicht widersprechen"

(... was allerdings völlig abstrakt bleibt, wenn man nicht den Grund weiß bzw. keine Vorstellung damit verbindet).

Aber reicht dieses stumpfe Pauken allein?

Es ist ja sozusagen mein Spezialgebiet, noch nach "conceptual metaphors" oder gar "Archetypen" zu suchen, die (inner!-)mathematischen Sachverhalt illustrieren und verständlich/merkbar machen.

Vor allem muss man sich mal klar machen, dass das, was da von den SchülerInneN verlangt wird, tatsächlich nicht so einfach ist:

Bzw. mit Geometrie und Algebra sind doch höchst unterschiedliche Partner miteinander verheiratet worden

(aber "Gegensätze ziehen sich an"?).

Und immerhin haben die "großen" MathematikerInnen ja auch Jahrtausende

(bis zu Descartes und seinem Koordinatensystem)

gebraucht, um Geometrie und Algebra verkuppeln zu können!

Nun ist es aber gar nicht so einfach, eine im vorliegenden Fall passende "conceptual metaphor" oder einen passenden "Archetyp" zu finden.

Nehmen wir nur mal das Bild, dass Geometrie und Algebra zwei Seiten einer Medaille sind:

  "Wir mögen alles durch rosa Brillen sehen, vieles aber wid dadurch nicht beeinflußt. Die Farbe der Gegenstände hat vielleicht einen Stich zum Roten hin, aber Form, Größe, Beschaffenheit und andere Eigenschaften sehen wir doch, wie sie wirkich sind. Wenn wir auch nicht die Farben der Natur richtig sehen, können wir alles andere sehen, was es dort zu sehen gibt, und all das auch richtig sehen. Rosa Brillen färben unsere Sicht der Wirklichkeit, schaffen sie aber mit Sicherheit nicht."
(Ed Regis)

Oder ein anderes Bild: "jemand sieht alles durch eine rosarote Brille", d.h.

  1. sieht er im übertragenen Sinn alles (übertrieben) positiv,
  2. sind für ihn im wörtlichen Sinn alle Dinge rosarot.

So kann man unseren "Satz" einmal durch eine rote (geometrische) und einmal durch eine blaue (algebraische) Brille sehen:

Oder vielleicht noch sinniger:

Die beiden Bilder

"zwei Seiten derselben Medaille / rosarote [rote, blaue] Brille"

illustrieren schön, dass unser "Satz" aus verschiedenen Perspektiven gesehen werden kann und doch ein und derselbe Sachverhalt dahinter steckt.

Und schön wird auch das Grundproblem illustriert, dass man (viele SchülerInnen) nicht beide Seiten gleichzeitig sehen kann: der Satz ist wie eine



Kippfigur,

bei der man

(zumindest, wenn man ungeübt ist)

nur jeweils eine der beiden Möglichkeiten sehen kann. Und vielleicht kann man

(mit schon ein wenig mehr Übung)

hin und her "switchen", also

Wirklich schwierig ist es aber, beide Möglichkeiten gleichzeitig zu sehen.

Oder genauer

(und auch bei Bildern sollte man sehr genau sein):

(ein Pokal, der zwischen zwei Gesichter geklemmt ist!?),

Das erste Problem ist aber noch immer vorhanden: die beiden Bilder

"zwei Seiten derselben Medaille / rosarote [rote, blaue] Brille"

illustrieren zwar schön das Grundproblem

 ("dass man (viele SchülerInnen) nicht beide Seiten gleichzeitig sehen kann"),

aber - und das ist ihr zentraler Nachteil - sie bieten keine Lösung.

Nun hatte ich ja offensichtlich die beiden Brillen  und mit einem Bildbearbeitungsprogramm aus dem Bild einer 3D-Brille gewonnen, und diese illustriert ja wirklich, dass man zwei Perspektiven gleichzeitig sehen kann und sich aus zwei zweidimensionalen Perspektiven überhaupt erst eine dreidimensionale (und damit ein vollständiges Bild) zusammensetzt:

bzw.

... womit sich die Frage stellt, was die dritte Dimension bedeuten und ob sie vielleicht "ganzheitlich" die beiden anderen Perspektiven xxxxx und xxxxx zusammenführen, also ihre Getrenntheit überwinden könnte.

Loten wir das Bild doch mal weiter aus:

(also sozusagen einen vollständigen Elefanten)

an?:

Da stellt sich doch die entscheidende Frage, was diese "tiefere" Wahrheit in Bezug auf unser "Grundgesetz-Problem" sein könnte?

Und wird diese "tiefere" Wahrheit überhaupt erst deutlich, wenn wir eine dritte

(wieder auf unser "Grundgesetz-Problem" übertragen: welche?)

Perspektive hinzunehmen?:

All das bleiben für mich aber im Hinblick auf das "Grundgesetz-Problem" offene Fragen: die Bildanalyse führt hier nicht weiter.


Das zweite Problem und der entscheidende Nachteil der beiden Bilder

"zwei Seiten derselben Medaille / rosarote [rote, blaue] Brille"

ist aber, dass sie letztlich nur eine Banalität illustrieren, nämlich dass

Oder anders gesagt: die Bilder

"zwei Seiten derselben Medaille / rosarote [rote, blaue] Brille"

sind allzu allgemeingültig und nicht im mindesten spezifisch für  das vorliegende Problem (unseren "Satz")

(nunja, es gibt ja einige "conceptual metaphors", die mehrfach in der Mathematik hilfreich sind).

All die Mühe bei der Erstellung der obigen Bilder war also scheinbar für die Katz. "Scheinbar", weil es sich eben doch lohnt, mal exemplarisch Implikationen sowie Möglichkeiten, hier vor allem aber auch die Grenzen von Bildern durchzudenken - und das auch vorzuführen.


Vielleicht sollte man aber gar nicht so sehr in die Ferne schweifen

(zusätzliche Bilder suchen),

sondern den Zusammenhang direkt zeigen:

... was - wohlgemerkt - ein arg archaisches Programm mit wiederum drei Nachteilen ist:

  1. ist dieses Programm wie alle Programme aus der Sammlung

(wie dort bereits erwähnt)

viel zu suggestiv: viele SchülerInnen werden irrwitzig schnell durchklicken - und nichts begreifen;

  1. wird "unser" Zusammenhang nur allzu indirekt klar, da ja nur "behauptet", aber nicht "sichtbar" wird, dass [im Falle der Funktion y = x2] jedes y [z.B. 11,56] das Quadrat des zugehörigen x [-3,4]   ist;
  2. ist an den Programm insbesondere archaisch, dass nur einige wenige vorgegebene Funktionen statt aller behandelbar sind; und beispielsweise bei der vorgegebenen Funktion y = 0,125x4-2,5x2+8 kommt der 2. Punkt vollends zum Tragen: da ist beim besten Willen nicht mehr zu "sehen", dass z.B. y = -4,375 der Funktionswert von x = -3 ist; man kann die konkreten Werte nur "glauben" - und damit sind sie witzlos. Sollte man sie einfach weglassen?

Der "Satz" 

  Geometrie
(Zeichnen)
  Algebra
(Rechnen)
  ein Punkt P ( x | y ) liegt auf einem Funktionsgraphen

genau dann, wenn
die beiden Koordinaten (= Zahlen) x und y erfüllen die Funktionsgleichung

ist derart fundamental, dass ich ihn in Analogie zu

als

"Fundamentalsatz der Schulmathematik"

 bezeichne.