Bekenntnis zur guten alten Methode des UNTERRICHTSGESPRäCHS
... das allerdings massiv modifiziert werden muss

"Bekenntnis zu" klingt ein bisschen nach "Sich-Outen" und "endlich darf mans wieder laut sagen":

Es ist so ähnlich, wie wenn beispielsweise der "Stern" eine Popgruppe als "Geheimtipp" verkauft:

  1. ist sie es dann, wenn sogar schon die ältlichen "Stern"-Redakteure auf sie aufmerksam geworden sind, längst nicht mehr;

  2. ist ein Geheimtipp nach Veröffentlichung in einem Massenblatt wie dem "Stern" sowieso keiner mehr.

(und 3. erzeugen die Massenblätter oftmals ja überhaupt erst Trends)

Für was also entschuldige ich mich hier - bzw. vor wem?

Ich renne mit der Wieder(?)entdeckung von Unterrichtsgesprächen doch offene Türen bei den "Falschen" ein, nämlich jenen, die sowieso alle methodischen Überlegungen für überflüssig halten

("letztlich sollen die SchülerInnen doch Mathematik lernen, d.h. allein der Inhalt zählt - und die Methode lenkt nur davon ab").

Gleichzeitig aber widerspreche ich den anderen "Falschen", nämlich jenen, die

- derzeit eine Mode und gleichzeitig doch eine wichtige Herausforderung! -

in "Selbstlernmethoden" das Ein und Alles sehen und

(Natürlich gibt keiner zu, zu einer der beiden Gruppen zu gehören. ... etwa so, wie ein Computerfanatiker immer behaupten wird, der Computer sei "natürlich nicht" das pädagogische Allheilmittel.)


 

SELBSTVERSTäNDLICH ist und bleibt das Unterrichtsgespräch eine der wichtigsten, weil flexibelsten Lernmethoden.

(Nebenbei: genauso hat ja auch der  Lehrervortrag seine situativen Vorzüge! Vgl. )

Allerdings gibt es einige Anforderungen an das Unterrichtsgespräch, die auch ich wohl viel zu wenig beachte:

  1. keine Suggestivfragen (vgl. "Fragen, Fragen, nichts als Fragen"): das sagt sich so leicht, will aber geübt sein, bzw. für die eigenen Suggestivfragen muss man hellhörig werden.

(In meinem Referendariat wurden Suggestivfragen zwar immer gerügt, aber es wurde nie an konkreten Beispielen untersucht, wie man sie vermeiden könnte - d.h. man rannte immer wieder ins offene Messer, ja es schien fast, als wenn das die Absicht gewesen wäre.)

Merke: eine Suggestivfrage beweist normalerweise nur, dass etwas allzu selbstverständlich, also gar nicht so selbstverständlich ist.

  1. Die Lehrkraft sollte zwar (meistens) das Ziel kennen, aber auch noch wissen, wie schwierig der Weg dorthin ist bzw. dass es verschiedene (auch Irr-)Wege dorthin geben kann. Sie sollte selbst noch staunen können, dass die "Königswege" überhaupt gefunden wurden, und sich eingestehen, dass sie auf die meisten auch wohl kaum alleine gekommen wäre.

  2. Ein UnterrichtsGESPRäCH, das seinen Namen verdient, sollte tatsächlich ein Gespräch "über" bzw. "miteinander" sein - also kein verkappter Vortrag

(der, wie schon angedeutet, zu anderer Zeit durchaus sinnvoll sein kann).

Gespräch "miteinander" heißt aber keineswegs "völliger Gleichstand": selbstverständlich weiß die "gute" Lehrkraft oftmals (fachlich und methodisch) mehr - und kann die SchülerInnen somit "bei der Hand nehmen", statt sie allein zu lassen:

die Lehrkraft ist also KEINESWEGS, was heute modern und doch eine ideologische Verbrämung ist, nämlich neudeutsch

  • "Moderator" oder
  • "Coach".
  1. Die Lehrkraft (wir alle!) muss zuhören können, und ihr eigentliches Genie liegt darin,

  1. aus einem übergroßen Fundus individuell und situativ reagieren sowie

  2. weitestmöglich den nur scheinbar verkorxten Gedankengängen der SchülerInnen folgen zu können.

... womit unsere hypothetische Idealllehrkraft allemal "pädagogischen"

(dass ich nicht lache: "interaktiven"!)

Computerprogrammen überlegen ist, und zwar auch dann, wenn sie von Ideallehrkräften geschrieben sind.

  1. Zwar muss nicht  jeder laut an den Unterrichtsgesprächen beteiligt sein

(es gibt auch zurückhaltendere, aber durchaus aufmerksame ZuhörerInnen, die geschmeidig [und mit dem Vorteil der Distanz!] fremden Gedankengängen  folgen und daran ihr eigenes Denken bilden),

aber letztlich ist ein wirkliches UnterrichtsGESPRäCH natürlich nicht in Klassen mit 30 SchülerInnen möglich.

Unter den gegebenen Umständen wird man die Klassen zumindest ab und zu in kleinere Gruppen aufbrechen müssen, die dann aber nicht allein gelassen werden

(was zu anderen Zeiten durchaus wieder sinnvoll sein kann - aber nach Vorbereitung),

sondern in denen denen die Lehrkraft durchaus mitredet.

Und es muss (wo?) viel mehr Raum geschaffen werden für Gespräche "unter vier Augen", also zwischen Lehrkraft und EinzelschülerIn

(und zwar nicht über Zensuren, sondern über Fachliches).

Jede Lehrkraft, die hellhörig ist, weiß doch, dass man erst dann die fachlichen Möglichkeiten der EinzelschülerInnen erkennt - und insbesondere die stilleren nicht mehr pauschal für "dumm" hält.

Es lohnt sich also doppelt und dreifach, das "Unterrichtsgespräch" wieder offiziell ins Methodenrepertoire aufzunehmen und es genauestens auszuarbeiten!

Auch müssen sich "Unterrichtsgespräch" und "Selbstlernen" keineswegs gegenseitig ausschließen, sondern es wäre zu untersuchen, wie ein Unterrichtsgespräch (und nebenbei auch ein Lehrervortrag) aussehen müsste, in dem die SchülerInnen zum eigenständigen Lernen angeleitet und herausgefordert würden.

 


Das Foto oben mag ein wenig sentimental erscheinen - und wurde doch bewusst gewählt: als Symbol für eine Begegnung