Computer in der Schule:
die Zukunft hat längst begonnen
"Setzt Du auch N[!]eue Medien im Unterricht ein?"
"Ach, die sind doch total veraltet!"
Allerneuester Nachtrag (4.12.02):
Es ist mir ja doch eine herzallerliebste Genugtuung, dass die Schul-Computer-Freaks jetzt plötzlich greinend bemerken, dass in Folge von die Computer in der Dringlichkeitsliste inzwischen weit hinter der Lesefähigkeit rangieren:
Und nochn Nachtrag vorweg:
Neuste Untersuchungen (denen gegenüber ich ja auch wieder skeptisch bin) scheinen zu belegen:
Computer in Schulen "bringen" nichts!
"Eine Studie zweier Ökonomen vom Massachusetts Institute of Technology [also ausgerechnet der Kaderschmiede der Computergläubigkeit!] und der Universität Jerusalem liefert jetzt Hinweise darauf, daß die Milliarden, die in die Vernetzung der Klassenzimmer gesteckt wurden, vielleicht doch hätten anders verwendet werden sollen. Das Fallbeispiel: Zwischen 1994 und 1996 hatte das israelische Erziehungsministerium aus Mitteln der Staatslotterie 900 Schulen mit 35 000 Computern ausgestattet, 1998 wurde die Zielgröße von einem PC für zehn Schüler erreicht. Die Ökonomen haben nun mittels verschiedener statistischer Verfahren verglichen, wie die Schüler verschiedener Jahrgangsstufen an Schulen mit und ohne Computerunterricht in den Fächern Mathematik und Hebräisch abschneiden. Was die Mathematikleistungen angeht, so ergab sich für vierte Schulklassen ein signifikant [die Nacht der langen Messer!:] negativer Zusammenhang zwischen Technologieeinsatz und Fähigkeiten. Für alle anderen Klassenstufen ließ sich bestenfalls kein oder nur ein schwach negativer Einfluß der PCs auf die Rechen- und Schreibkünste der Schüler feststellen. Das galt auch, wenn alle sonstigen Lernumstände gleich waren. Die etwa vierzig Computer, die jede ausgewählte Schule erhielt, kosteten soviel wie vier Vollzeitlehrkräfte, das gesamte Programm hätte auch zur Einstellung von 3500 Lehrern führen können. Rechnet man die Abschreibung der Geräte mit ein, so belaufen sich die ständigen Kosten einer solchen Computerausstattung auf einen Lehrer.pro Jahr und Schule."
(FAZ, 3.11.02)Der Fairness halber sei allerdings auch zitiert:
„[...] Schüler, die Unterrichtssoftware nutzten, [schnitten] signifikant besser als solche ab, die keinen Zugang zu computergestützten Hilfsmitteln hatten."
(Bertelsmann [aha!] Stiftung [Hrsg.]: „Computer, Internet, Multimedia – Potentiale für Schule und Unterricht")Damit meine ich keineswegs, dass Computer in Schulen grundsätzlich überflüssig sind. Vielmehr scheint mir die "neue Ernüchterung" darauf rückführbar zu sein, dass von ihnen alles erwartet wurde bzw. dass sie - was natürlich keiner zugibt - Selbstzweck waren und (absichtlich oder unbewusst) die eigentliche Pädagogik ersetzen sollten.
Computer waren das Allheilmittel in den Augen der pädagogisch Phantasielosen (Unpädagogen).
Ich spreche dabei bewusst in der Vergangenheitsform: die "Avantgarde" ist natürlich längst weiter bzw. hat das Ammenmärchen, durch Computer werde alles oder überhaupt einiges besser, eh nie geglaubt und schon immer darauf hingewiesen, dass ein überzogener Computerglaube im besten Fall (abgesehen von den immensen Kosten) folgenlos, im schlechtesten Fall nur kontraproduktiv sein könne.
Dennoch muss man es (hier) immer wieder neu sagen, weil einige Altbackene immer noch blind fortschrittsgläubig/-wütig sind.
Das Erstaunlichste ist, dass ausgerechnet die größten Verfechter von „Computer in die Schulen" den Computern am wenigsten zutrauen. |
von den 27 SchülerInnen meiner Klasse haben inzwischen ausnahmslos alle zuhause einen Zugang zu einem Computer;
24 von ihnen haben inzwischen zuhause auch einen Internetzugang.
Da kann man sich natürlich fragen, warum die SchülerInnen inzwischen fast alle mit Computern ausgerüstet sind:
wohl, weil viele Kids einfach scharf auf Computer sind, d.h. auf
Computerspiele,
die unbestreitbare Faszination von Multimedia (Synästhesie):
„alles so schön bunt hier"
, weil der Computer einfach praktisch ist, und zwar zur Textverarbeitung (mehr braucht ein Laie doch nicht): wer einmal mit dem Computer geschrieben hat, wird nie wieder eine Schreibmaschine anfassen;
, weil den Eltern (die fast schon ein schlechtes Gewissen haben) andauernd suggeriert wird, dass Computer heute angeblich ganz ungemein wichtig sind und ihre Kinder ohne Computerkenntnisse keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben werden; woraus folgt: die Eltern kaufen einen Computer - und die Kinder ballern nur drauf rum. Wenns hoch kommt, lernen sie (außer einigen pickligen Hackern) die Bedienung von Windows, aber doch nicht wirkliches Programmieren
(muss ja auch nicht, ja, für die eigentlichen Programme wird man wegen der immer komfortableren Programmiersprachen immer weniger Programmierer brauchen, und deren Tätigkeit [das reine Umsetzen] wird dann spitzendämlich sein).
Aber zurück zu meiner Klasse: ich weiß ja auch, dass wir an meiner Schule großteils Kinder aus sogenannten „besseren" (privilegierteren, finanzstärkeren) Familien haben und dass das (wie auch obige Umfrageergebnisse) keineswegs repräsentativ ist. Aber es zeigt doch - wenn auch nur im Hinblick auf Computer - die Richtung, in der die Entwicklung längst geht.
Was folgt daraus für Schulen?
Wenn man hinzunimmt, dass Computer wohl
noch rapide weiter im Preis fallen werden,
doch noch benutzerfreundlicher werden
(vereinfachte Handhabung, Miniaturisierung, Spracheingabe [es wird keine Tastatur mehr geben], Integration mit anderen Geräten [Fernsehgerät ...]),
so heißt das doch wohl:
jedeR SchülerIn wird einen Computer samt Internetzugang zuhause haben;
es wird also die Notwendigkeit entfallen, SchülerInnen in der Schule den Zugang zu Computern und Internet zu ermöglichen (falls diese Notwendigkeit - als letzter Rest bzw. neue Form von "Chancengleichheit" - überhaupt jemals bestand);
Computerräume (außer für die eigentliche Informatik) werden sehr bald schon wieder leer stehen - und sowieso innerhalb weniger Jahre wegen Überalterung der Technik unbrauchbar sein;
der neueste Hype, nämlich sogenannte Laptop-Klassen
(Ausrüstung sämtlicher SchülerInnen mit Laptops; vgl. etwa : was für ein Irrsinn!),
ist natürlich heute schon Schnee von gestern;
jedeR SchülerIn wird sowieso schon die Grundlagen von Anwendungsprogrammen beherrschen
(und "Surfen" ist schon jetzt so einfach, dass gerade die Idioten es beherrschen);
es wird sich also auch sehr schnell die Notwendigkeit erübrigen, SchülerInnen in die Handhabung von Computern einzuführen (falls diese Notwendigkeit überhaupt jemals bestand);
das Internet wird
(bis auf einige wenige Recherche-Computer in der Schulbibliothek, die dann - ich schlage mir auf die Schenkel - als neuester Hype wiederentdeckt werden wird)
auch nicht mehr zur Recherche in der Schule eingesetzt werden:
recherchieren können die SchülerInnen dann genauso gut zuhause;
sowieso muss Unterricht nicht so aktualistisch sein, dass immer Daten in „Echtzeit" benötigt werden.
Computer und Internet werden also sehr bald das sein, was sie längst sind:
etwa vom Range des Telefons, bei dem ja auch nie jemand auf die Idee gekommen ist, es in der Schule zu unterrichten bzw. den SchülerInnen in der Schule Zugang zu ihm zu ermöglichen;
hübsche Spielzeuge.
werden die Kids von den LehrerInneN auch gar keine Einführung in Computer mehr erwarten, sondern solch eine Einführung (wie jetzt schon teilweise) eher als Anbiederung „alter Säcke" empfinden, die der rasanten technischen Entwicklung nur fast schon wieder liebenswert hinterherhinken.
Die Schule wird also nach kurzem Zwischenspiel wieder weitgehend "erste computerfreie Zone" werden, und zwar gerade wegen des Siegeszugs der Computer. |
Dabei ist es erst mal unerheblich, ob man diesen Siegeszug begrüßt oder befürchtet:
Der Umgang mit Computern wird völlig im Hintergrund verschwinden: Computer werden einfach nur genutzt (etwa so, wie man heute einen Staubsauger benutzt, dessen Funktionsweise man ja auch nicht versteht), die Aufgeregtheit wird sich legen.
Z.B. werden auch schon bald das ganze Multimedia-Geklingel (all diese lächerlich „flash"-animierten Internetseiten) und der Handy-Schnickschnack („es piepst, also bin ich [wichtig bzw. nicht ganz so einsam]") eine amüsant-liebenswerte Modetorheit von gestern sein.
(Damit diese Seite endlich auch einen Zweck erfüllt, hier ein "Geheimtipp": für Handyoten gibts im Internet massenhaft ganz ganz witzige Display-Bildchen sowie ungemein individuelle Klingelsounds, mit denen man prächtig - und möglichst andauernd - seine Umwelt bis zur Weißglut belästigen kann.)
Jugendliche aber dürfen das (andauernd ihr Telefönchen knuddeln), sie haben das vornehme Recht auf jeglichen modischen Quatsch, weil Mode für sie immer erstmalig, also primärer Lebensausdruck ist: die Schlager, die einen mit 17 erwischen, bleiben letztlich die einzig wahren, ihre Sentimentalität begleitet einen ein ganzes Leben lang und bleibt über jede spätere Kritik erhaben.
Gerade weil der Computer im Hintergrund verschwindet, wird er überhaupt erst (unbemerkt) die Macht übernehmen und uns lenken:
Wenn überhaupt, so wird in den Schulen (abgesehen von echtem Informatikunterricht) nur eine Medienerziehung übrig bleiben:
|
|
Natürlich wäre es aber auch nur naiv bzw. plump (heutzutage ein Totschlägerargument:) "maschinenfeindlich", ganz grundsätzlich sinnvolle "Anwendungsmöglichkeiten" für Computer in Schulen zu leugnen:
Veranschaulichungen, also z.B.
z.B. audiovisuelle Lernprogramme in Fremdsprachen
(in der Regel sind Lernprogramme wie überhaupt Computer aber noch splitterfaserdumm: alles läuft auf Wahr-/Falsch-Aussagen bzw. Zucker und Peitsche hinaus),
der Computer als Arbeitserleichterung, wenn nicht gar Erkenntnismittel (z.B. Statistik-Software).
Dennoch braucht man aber insgesamt reichlich wenig und vor allem selten Computer in Schulen.
Es sei denn, man hat was ganz anderes vor, nämlich eine
Erziehung mit Computern. |
scheint es, als wenn man Menschen (LehrerInneN bzw. letztlich natürlich sich selbst) nicht mehr traut - und deshalb dem „gerechteren" Computer die Erziehung überlassen will; hinter dem derzeitigen, ach so optimistischen „Computer in die Schulen"-Glauben scheint mir nämlich letztlich nur verzweifelter (und deshalb - als Flucht nach vorne - fast schon bösartiger) Fatalismus hervorzulugen;
steht in den nächsten zehn Jahren wegen Pensionierung etwa der Hälfte aller LehrerInnen ein massiver Lehrermangel bevor (insbesondere in naturwissenschaftlichen Fächern), so dass man
- wenn man nicht endlich anders [nämlich erstmals langfristig] plant und objektive bzw. spürbare massive Arbeitserleichterungen schafft -
vielleicht gar nicht darum herumkommen wird, Unterricht durch Computerprogramme zu ersetzen:
„LiebeR SchülerIn, hier hast Du eine CD, pfeif sie Dir rein [friss oder stirb], und nächste Woche schreiben wir eine Klassenarbeit darüber."