1 Rolls-Royce

Wir wollen ja nicht gleich wie der damalige Guru namens Bhagwan hundert Rolls-Royces haben, sondern sind schon mit ein bisschen weniger zufrieden: einer würde ja für unser Selbstbewusstsein schon allemal reichen.

"I drive a Rolls Royce 'cos it's good for my voice."
    Children of the Revolution
(Tyrannosaurus Rex)
 

1 Rolls-Royce ist auch noch aus einem anderen Grund interessant, nämlich beim Preisvergleich

(wenn man überhaupt aufs Geld achten muss   ):

Es sagt mir reichlich wenig, wenn ich erfahre, dass  17  Rolls-Royce 6.800.000 € kosten:

17 x = 6.800.000

(mal abgesehen davon, dass ich 17 Rolls-Royce weder kaufen will noch kann),

sondern ich habe nur eine Vorstellung, wenn ich weiß, was einer kostet, nämlich 400.000 €:

1 x = 400.000


Deshalb interessiert hinter jeder Matheaufgabe letztlich nur, was 1 x ist, und weil das so selbstverständlich ist, schreibt man sogar nicht mal mehr "1 x", sondern nur "x".

Und deshalb fangen viele Matheaufgaben  verschieden  an, enden aber alle gleich:

      x2 - 7x + 12 = 0

                ... = ...

                ... = ...

              1  x = ?

Je nach Weltanschauung ist es dann allerdings

dass sich in der Mathematik hinter dem 1 x manchmal dennoch mehrere x verbergen

(z.B. löst sowohl 1 x = 3 als auch 1 x = 4 die Gleichung  x2 - 7x + 12 = 0  )

Vgl. auch Variable (Heinzelmännchen)  .


Wirklich interessant wird´s aber erst, wenn man sieht, wie kulturell bedeutsam, hilfreich, aber auch einengend das Denken in Einheiten ist:

"Die Wahrheit ist, dass wir mit den Dingen nur äußerst ungern qualitativ verfahren, besonders wenn es um finanzielle Dinge geht. Wir ziehen es vor, eine Geldeinheit zu definieren und dann den Wert aller Dinge durch eine exakte Zahl mal dieser Einheit anzugeben.

Allgemeiner ausgedrückt, ermöglicht uns die Definition von Einheiten, die quantitative Strenge der Mathematik (das heißt der Zahlen) mit der physikalischen Wirklichkeit zu verbinden. Die Einheit liefert eine Standardmenge von Dingen einer bestimmten Art; die Zahl verwandelt sie in die exakte Menge, die wir zu beschreiben versuchen.

So gestattet uns das Kilogramm, exakt festzulegen, was wir mit sieben Kilogramm Ananas meinen und wie viel sie kosten sollen. Das Bezugssystem unserer Zivilisation gäbe es nicht ohne den Begriff der Einheit und seine Verbindung mit dem Zahlbegriff. Mag uns auch noch so poetisch zumute sein, ohne quantitative Strenge können wir weder lieben noch leben. [...]

Diese Lebensphilosophie prägt auch unsere Vorstellung von Raum und Zeit. Der Raum wird durch eine Längeneinheit definiert, etwa den Meter. Infolgedessen kann ich sagen, dass ein Elefant 315 Meter von mir entfernt auf der Straße steht, also 315 mal einer festgelegten Einheit, dem Meter. So können wir den Aufenthaltsort des Elefanten mit absoluter Genauigkeit angeben.

Wenn ich eine gegebene Region auf der Oberfläche der Erde kartieren möchte, führe ich eine zweifache Raumstruktur ein. Ich definiere orthogonale (zueinander rechtwinklige) Richtungen, etwa Nord-Süd und Ost-West. Dann kann ich durch zwei Zahlen genau angeben, wo sich ein Objekt relativ zu mir befindet - die Entfernung in der Ost-West-Dimension und die Entfernung in der Nord-Süd-Dimension. Ein solches Bezugssystem legt Aufenthaltsorte exakt fest. Unser zwanghaftes Bedürfnis, genau zu wissen, wo alles ist, findet seinen vollkommenen Ausdruck im GPS (Global Positioning System). Jeder Ort auf der Erde lässt sich heute durch ein Koordinatenpaar mit absurder Genauigkeit angeben.

Das ist alles eine Frage der Konvention. Die australischen Aborigines kartographieren ihr Land durch Traumpfade (Songlines). Für sie ist Australien keine eindeutige Zuordnung zwischen Punkten auf dem Land und Zahlenpaaren, den Koordinaten dieser Punkte, sondern ihr Land besteht aus einer Reihe verschlungener, sich vielfältig überschneidender Linien oder Pfade, und zu jedem der Pfade gehört ein bestimmtes Lied. Jedes Lied erzählt eine Geschichte, die auf diesem Pfad geschehen ist. Gewöhnlich sind es Mythen von vermenschlichten Tieren, verwickelte Fabeln voller emotionaler Bedeutung.

Die Traumpfade bilden ein ziemlich kompliziertes Netz, in dem ein Punkt nicht nur einem einzigen Zahlenpaar entspricht. Da zählt nicht nur, wo Sie sich befinden (nach unserer Vorstellung), sondern auch, woher Sie gekommen sind, und letztlich die Gesamtheit Ihres bisherigen und künftigen Weges. Was für uns ein einziger Punkt ist, kann für Aborigines eine unendliche Vielfalt von Identitäten hervorbringen, da dieser Punkt möglicherweise Teil vieler verschiedener, einander kreuzender Traumpfade ist. Unvermeidlich erzeugt dies ein Gefühl von Besitz und Eigentum, das es in unserer Kultur nicht gibt. Der Einzelne erbt Traumpfade, keine Grundstücke und Ländereien. Ein GPS-System, das mit den Koordinaten von Traumpfaden arbeitet, kann nicht funktionieren.

Trotzdem gibt es Australien. Traumpfade unterstreichen die Tatsache, dass jede Beschreibung des Raumes weitgehend eine Frage der Entscheidung und der Konvention ist. Wir haben uns entschieden, in einem rigiden und exakten Raum zu leben, der aus bestimmten Orten besteht, im Newtonschen (andere würden sagen euklidischen) Raum.

Alle diese Überlegungen gelten in ähnlicher Weise für die Zeit. Eine Uhr ist einfach etwas, das sich in regelmäßigem Rhythmus verändert: etwas, das »tickt«. Ein Ticken legt eine Zeiteinheit fest. Und eine Zeiteinheit ermöglicht uns, mit Hilfe einer Zahl die exakte Dauer eines bestimmten Ereignisses anzugeben. Wiederum ist es eine Frage der Konvention oder Definition, was wir zu einer »regelmäßigen« Veränderungsrate erklären. Trotzdem ist sie, wie viele Konventionen, nicht einfach überflüssig. Sie gestattet uns, die physikalische Wirklichkeit um uns herum einfach und präzise zu beschreiben."

(zitiert nach:   )

Ich frage mich nur, ob das "Einheits"- und Koordinaten-Denken tatsächlich jemals westeuropäischer Standard ("wir") geworden ist - oder nur Mathematiker- und Naturwissenschaftlergehirne dominiert.


PS: IM ANFANG WAR DIE LÖSUNG

Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 1

1 Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.

Allzu leicht vergisst man vor lauter Rechnen, wozu das Ende der Rechnung

      x2 - 7x + 12 = 0

                ... = ...

                ... = ...

              1  x = ?

überhaupt da ist: doch einzig und allein dazu, uns nun endlich zu offenbaren, welches 1 x schon am  Anfang  gesucht, aber noch verborgen war.

(Die Aufgabenstellung hinter

 x2 - 7x + 12 = 0  ist doch: suche jenes 1 x , für das x2 - 7x + 12  die  0  ergibt!

Und wichtig dabei ist natürlich auch:

in x2 und 7x ist mit DEMSELBEN Buchstaben x natürlich auch DASSELBE 1 x gemeint.

Vgl. oben: ich darf also
  • in

    x2  und 7x BEIDES MAL 1 x = 3 einsetzen, und es ergibt sich  x2 - 7x + 12 = 0  ,
  • in x2  und 7x BEIDES MAL 1 x = 4 einsetzen, und es ergibt sich  x2 - 7x + 12 = 0  ,
  • aber nicht

    • in x2  das 1 x = 3
    • und gleichzeitig in

      7x das 1 x = 4
      [oder umgekehrt]

    einsetzen, denn dann ergibt sich 3 2 - 7•4 + 12   = -7, also NICHT  0  .)

Das 1 x am Ende wäre völlig witzlos, wenn es nicht auch die  Anfangsgleichung  bzw.  Aufgabenstellung  lösen würde.

(Was habe ich davon, wenn ich für das eine Problem die Lösung eines anderen Problems erhalte?)

Und nur die Äquivalenzzeichen () sorgen dafür, dass das auch tatsächlich der Fall ist.

Es lohnt sich (gegen Rechenfehler und falsche Verwendung der Äquivalenzzeichen) also immer,

  • eine Probe zu machen,

  • d.h. das 1 x vom Ende in die  Anfangsgleichung  einzusetzen,

  • also zu überprüfen, ob das 1 x vom Ende auch tatsächlich die  Anfangsgleichung  löst.

Und überhaupt:

Bei Textaufgaben schreibe man sich am Anfang ausdrücklich auf, was mit dem x gemeint ist

(z.B. "x ist die [noch unbekannte] Länge eines Rechtecks")

und beherzige nach langer, rein mathematischer Rechnung am Ende:

,

wobei "heimwärts" hier "zum Anfang" bedeutet:

macht mein Ergebnis 1 x am Ende denn SINN im Hinblick auf die anfängliche Bedeutung von x?

Denn angenommen mal, ich bekomme nach langer Rechnung am Ende für 1 x eine negative Zahl heraus. Dann kann das unmöglich die am Anfang gesuchte Länge eines Rechtecks gewesen sein. Ich muss mich verrechnet haben.