: eine "kleine", aber typische Schwierigkeit

"Methodik" kann mir überhaupt nicht klein genug gedacht werden: im schulischen Alltag stellt sich nicht gerade selten die Frage, wie eine einzige Gleichung vermittelt werden kann, aber auf solch undankbaren "Kleinkrams" gehen Methodenbücher natürlich fast nie ein.

Im mathematischen Teilgebiet der "Kombinatorik" ergeben sich

(z.B., wenn man 23 Leute auf 100 Kinoplätze verteilen möchte; vgl. )

endlos lange Produkte der Form

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78.

Für dieses Produkt kann man auch kurz schreiben:

A

 

B

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78

=

(Über solche rasend schnell zuschnappende Gleichungen habe ich mich schon in Studium

[in Büchern, Vorlesungsskripten oder während der Vorlesungen an der Tafel]

totgeärgert. Manchmal wurden sie ohne Kommentar einfach nur behauptet, manchmal stand aber auch dran "wie trivialerweise folgt" bzw. "wie jeder [der halbwegs intelligent ist] sieht".

Ich Dummerchen musste aber in einigen Büchern fast an jede einzelne Zeile einen langwierig erarbeiteten eigenen Kommentar bzw. umfangreiche Zwischenrechnungen schreiben, so dass meine Bücher wegen der eingeklebten Zettel hinter manchmal drei Mal so dick wurden.)

Natürlich ist

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78

=

sowieso kein Problem mehr für den, der die Logik bereits durchschaut hat.

Mir aber geht es hier um diejenigen (SchülerInnen), die den Übergang von A nach B erstmals machen bzw. ihn gar (mit welchen Anregungen?) selbst entdecken sollen:

Wenn man nicht sieht, wie man A nach B umformen kann, empfiehlt sich manchmal der umgekehrte Weg, also von B nach A.

Und in vielen Fällen ist es eine hilfreiche Methode, aufeinander zu zu rechnen:

Das Rückwärts-Rechnen von B zu A ist dabei natürlich nur möglich, wenn man B bereits kennt, d.h.

Vielleicht ist dieses Rückwärts-Rechnen aber doch

(wie überhaupt beim Nachentdecken großer mathematischer Leistungen)

hilfreich, um immerhin im Nachhinein zu rekonstruieren, wie man selbst von A auf B hätte kommen können.

Schauen wir uns also B genauer an:

Nun ist B, also , ja keine reine Willkür, sondern da

Merkwürdig ist aber immerhin doch der Nenner, also (100 - 23)! Warum so umständlich, denn da 100 - 23 = 77 ist, könnte man da doch einfacher schreiben .

Und dennoch hat dieser scheinbar einfachere Nenner einen entscheidenden Nachteil

- und das ist ein entscheidender erster Tipp, den wir weiter unten noch weidlich auskosten werden!:

An und insbesondere dem neuen Nenner 77! ist nicht mehr direkt die Herkunft aus den beiden Anfangswerten 100 und 23 erkennbar.

 

Zwischendurch sei eine unabdingbare Voraussetzung wiederholt, nämlich dass

n!
[sprich: "n Fakultät"]

bereits bekannt ist:

 n!  =   n · (n -1) · (n -2) · (n -3) ·       ...     · 4 · 3 ·2 · 1

Also z.B.

11! = 11 ·   10   ·    9   ·      8    · 7 · 6 · 5 · 4 · 3 ·2 · 1

Die "Rück-Richtung" A B

Gehen wir mit der Kenntnis von Fakultäten nun an B heran:

= =

Hier erkennt man schon, dass

Durch geordnete Darstellung

- der zweite wichtige Tipp für unten! -

kann man sich noch besser klar machen, welche Faktoren das sind:

Weil ausschließlich Faktoren vorkommen, also multipliziert wird, kann man nun gleiche Zahlen im Zähler und Nenner gegeneinander kürzen:

,

und dann verbleibt

.

Daran ist zweierlei bemerkenswert:

  1. steht im Zähler bereits (wenn auch durch Punkte verkürzt) die linke Seite A, also

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78,

  1. habe ich bewusst noch den Nenner 1 stehen lassen. Denn natürlich kann man den Bruch

 

auch als natürliche Zahl

100·99·98·...·80·79·78

schreiben

- und umgekehrt die natürliche Zahl 100·99·98·...·80·79·78 auch als Bruch

- was der dritte wichtige Tipp für unten ist!

Fassen wir zusammen:

B    = =

   = = =

   = = 100·99·98·...·80·79·78 A

Damit haben wir also B in A umgerechnet. Womit sich die Frage stellt, wie man auch den umgekehrten Weg A B herausfinden kann.

Die "Hin-Richtung" A B

Schauen wir uns dazu den zurückzulegenden Weg (Start/Ziel) nochmals genauer an:

A

 

B

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78

=

Beide Seiten A bzw. B haben zentrale Vor- bzw. Nachteile:

  1. A ist eine ganz einfache Multiplikation, während man bei B Fakultäten und Bruchrechnung beherrschen muss.

  2. A ist dafür aber erheblich länger. Wir haben zwar inzwischen gesehen, dass man die Schreibweise zu 100·99·98·...·81·80·79·78 verkürzen kann, so dass sich die kürzere Gleichung ergibt:

A

 

B

100·99·98·...·80·79·78

=

Aber um 100·99·98·...·80·79·78 wirklich auszurechnen, müsste man eben doch wieder alle Zahlen 100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78 miteinander multiplizieren, während es für die Fakultäten in B eine hübsche Taste auf dem Taschenrechner gibt!

  1. ist in 100·99·98·...·80·79·78 - anders als in B - nicht mehr direkt die Abhängigkeit von den Ausgangszahlen 100 und 23 sichtbar (vgl. der 1. Tipp oben).

Das gilt insbesondere, weil in 100·99·98·...·80·79·78 als letzter Faktor merkwürdigerweise nicht 77 = 100 - 23 auftaucht, sondern 78

(dennoch tauchen aber in 100·99·98·...·80·79·78 insgesamt 23 Faktoren auf! Warum das so ist, vgl. ) .

Dennoch - und jetzt wird´s endlich pädagogisch - wird es SchülerInnen nur schwierig zu vermitteln sein, dass eine Abhängigkeit von 100 und 23 sichtbar sein soll

(viel besser wird bei ihnen das Taschenrechnerargument aus 2. ziehen!).

Wirklich wichtig, ja geradezu unumgänglich wird diese Abhängigkeit von den Ausgangszahlen nämlich erst bei der Verallgemeinerung - und da beißt sich die Katze in den Schwanz:

Natürlich ist es witzlos, die oben gezeigte Gleichungskette

B    = =

   = = =

   = = 100·99·98·...·80·79·78 A

jetzt nur umgekehrt, also von A nach B, zu rechnen, denn da bräuchte man es

(da auch mathematische Gleichungen von links nach rechts gelesen werden)

ja nur umgekehrt aufzuschreiben:

A     100·99·98·...·80·79·78 = =

      = = =

     = = B

Und ebenso witzlos ist es, das Ziel, also   , schon zu kennen.

Aber immerhin haben wir inzwischen u.a. durch die o.g. Tipps ja einige wichtige

Wegmarken:

  1. geordnete Darstellung (2. Tipp),

  2. Überführung natürliche Zahl Bruch (3. Tipp),

  3. das Ergebnis soll klar und deutlich bzw. ausschließlich von den Ausgangswerten 100 und 23 abhängen (1. Tipp oben),

  4. Wir möchten (schon allein des Taschenrechners wegen) eine Darstellung durch Fakultäten.

 

Genau das ist eben auch Mathematik: ein systematisches Vorgehen anhand bewährter Wegmarken, auch wenn man das Ziel noch gar nicht kennt.

Versuchen wir also den Weg von A nach B

Dazu schauen wir uns nun A  erst mal genauer an:

100·99·98·97·96·95·94·93·92·91·90·89·88·87·86·85·84·83·82·81·80·79·78

bzw. kürzer

100·99·98·...·80·79·78

Das sieht schon verdammt nach 100! aus (vgl. Wegmarke 4), nur dass die hinteren Zahlen 77·76·75·...·3·2·1 fehlen.

Bzw. 100·99·98·...·80·79·78 ist nur der ** Kopf der Gesamt-Fakultäts-Schlange

,

zu der wir

(und sei´s nur, um den Taschenrechner einsetzen zu können)

am liebsten auch noch den * Schwanz 77·76·75·...·3·2·1 hätten.

Hier nun muss man sich an zwei andere mathematische Trick ergänzen:

  1. muss man sich Dinge manchmal zwischendurch schwieriger machen, um sie am Ende doch erheblich einfacher zu bekommen,

  2. kann man etwas durchaus hinzufügen, wenn man es gleichzeitig auch wieder beseitig (ungeschehen macht); man darf also

  1. x-Beliebiges addieren, wenn man es sofort wieder subtrahiert
    (vgl. ),

  2. den Nenner eines Bruchs (!!!) mit x-Beliebigem multiplizieren, wenn man auch den Zähler damit multipliziert, also insgesamt den Bruch mit dem x-Beliebigem erweitert.

Eingedenk von Wegmarke 2 machen wir aus

100·99·98·...·80·79·78

zuerst einen Bruch

.

Nebenbei: diese kleine "Erschaffung" des Bruchstrichs scheint mir die entscheidende Schwierigkeit bzw. der entscheidende Gag zu sein.

Den soeben hergestellten Bruch erweitern wir nun gemäß I.b. mit dem "Schlangenschwanz" 77·76·75·...·3·2·1

(wobei wir der Übersichtlichkeit halber der Wegmarke 1 folgen):

Das kollabiert nun rasend schnell zu

,

das wir eingedenk von Wegmarke 3 nur noch umschreiben zu

... womit wir B erreicht haben.

Insgesamt haben wir also den Weg A B zurückgelegt bzw. gerechnet:

A     100·99·98·...·80·79·78 = =

      = = = B


Damit sind wir aber überhaupt erst beim eigentlichen pädagogischen Problem bzw. der eigentlichen Zwickmühle:

Dennoch halte ich o.g. Umweg

  1. A B,

  2. A B

für außerordentlich empfehlenswert, um typisches mathematisches Vorgehen zu lernen.