späte Genugtuung für Lamarck (und andere)

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Bild Jean-Baptiste Pierre Antoine de Monet, Chevalier de Lamarck , 1744 - 1829

Ich find's ja sowieso billig, Vorgängern vorzuwerfen, dass sie noch nicht die vollständigen Erkenntnisse ihrer Nachfolger hatten.

Allzu lange ist Lamarck als der Idiot der Evolutionstheorie beschimpft worden, und wie oft hat man sich doch insbesondere über sein Giraffen-Beispiel lustig gemacht:

"Seine Theorie beruhte auf zwei „Beobachtungen“, die von vielen Wissenschaftlern seiner Zeit akzeptiert wurden:

  1. Gebrauch und Nichtgebrauch von Organen - Lebewesen verlieren Merkmale, die sie nicht benötigen und entwickeln (infolge der Stärkung des betreffenden Organs durch konstanten Gebrauch) Merkmale, die sie benötigen.
  2. Vererbung erworbener Eigenschaften - Lebewesen vererben ihre durch Gebrauch erworbenen Eigenschaften an ihre Nachkommen [...].

Beispiele dafür sind nach Lamarck der Giraffenhals und die Muskelentwicklung. Er meinte, Giraffen streckten ihren Hals, wodurch er länger werde. Dies sei z.B. durch eine Umweltveränderung wie eine Dürre nötig, da es Futter nur noch auf hohen Bäumen gebe. Dieser längere Hals werde an die Nachkommen vererbt."
(zitiert nach Bild )

Immerhin bemerkenswert an diesem Zitat ist doch der Anfang "die von vielen Wissenschaftlern seiner Zeit akzeptiert wurden".

Und auch anderweitig lässt der Wikipedia-Artikel Lamarck Gerechtigkeit widerfahren:

"Trotz erheblicher Mängel, insbesondere unbewiesener Behauptungen, war seine Theorie ein bedeutender Durchbruch des Evolutionismus. Heute wird sie vermehrt wieder aufgegriffen und darin nach möglichen Mechanismen zur Vererbung erworbener Eigenschaften gesucht.

Lamarck war wohl nicht der Begründer der Abstammungslehre, wohl aber hat er als ihr Vorläufer entscheidende Ideen formuliert [...]".

Es kommt noch doller: Darwin, der nun wahrhaft kein fanatischer Darwinist war, hat Lamarck nicht nur geschätzt, sondern war teilweise auch selbst "Lamarckist" (vgl. Bild ). Und überhaupt haben die wahrhaft Großen noch nie ihre Vorgänger verachtet.

Es wäre mir aber doch eine besondere Freude, wenn man demnächst entdecken würde, dass Lamarck nicht nur wichtige Vorarbeit geleistet hat, sondern mit einer Vererbungslehre tatsächlich teilweise (variiert) recht hatte, wenn also die Vererbung erworbener Fähigkeiten manchmal eben doch funktionieren würde!

(Mir ist allerdings kein Beispiel dafür bekannt, d.h. selbstverständlich bin ich bislang ein milder "Darwinist").

Und so ist es mir immer eine Nacht der langen Messer, wenn scheinbar Veraltetes, über das sich junge Fatzkes lustig machen, sich am Ende als dennoch teilweise (variiert) richtig, wenn nicht gar weitsichtig erweist.

Ein Beispiel: haben die Kernphysiker mit Kernspaltung und -fusion, also mit der Verwandlung von Elementen in andere, nicht eben just teilweise das Programm der ach so verachteten Alchemisten erfüllt?

Vgl. auch Bild .


Einige Zeit später: ich lach' mich kaputt, dass inzwischen durchaus wieder - und zwar hochseriös, also nicht von Kreationisten - solche Thesen vertreten werden: