die Faszination derkleinen Dinge
(natürlich genitivus obiectivus, d.h. "Faszination für die kleinen Dinge")
"Der Große legt Fürsprache für die schlichten Dinge ein."
(Friedrich Nietzsche)
"Klein" ist hier nicht räumlich-geometrisch gemeint, denn mein Einstiegsbeispiel, nämlich eine
Cirruswolke (Feder[!]wolke),
ist nun wahrhaft nicht klein
("Kann eine Schäfchenwolke so viel wiegen wie eine Boeing 747? Der suggestive Charakter der Frage lässt erahnen, dass dem tatsächlich so ist - falls die Wolke winzige Ausmasse hat, ansonsten bringt sie weit mehr Gewicht auf die Waage."
[zitiert nach ]).
Aber vielen (?) Menschen mag solch eine Wolke als "(scheinbar) unscheinbar" oder "(scheinbar) unbedeutend" erscheinen, und vermutlich werden sie mir schon gar nicht folgen wollen/können, wenn ich Cirruswolken "federleicht" (s.u.), wunderschön "ätherisch", Kunstwerk eines großen Künstlers
(Caspar David Friedrich),
ja als "nicht von dieser Welt" empfinde.
Nun stehe ich mit meiner Vorliebe für Wolken allerdings nicht alleine da, bzw. es gibt ja selbst beim hinterletzten, unbedeutendsten Quatsch immer noch irgendwelche verschrobenen Spinner, die sich sowas als Spezialgebiet, ja geradezu als Lebenszweck aussuchen:
Aber ich behaupte einfach mal dreist, dass das nicht bloß pure Spinnerei ist: Wolken sind immerhin maßgebliche Elemente des Wetters!
(Man muss nicht "wetterfühlig" sein, um sich eben doch zu freuen, wenn nach ewig wolkenverhangenem Himmel endlich [!!!] Sonnenstrahlen durchkommen.
Umgekehrt gehören aber zum Archetyp
[= allgemeine bildliche Vorstellung in (angeblich) allen Menschen; vgl. unten "Primärfaszination"]
des "locus amoenus"
[= liebliche Landschaft; evtl. Erinnerungen an das Ursprungsgebiet des Menschen, also die Hochebenen Zentralafrikas]
eben doch einige "Schäfchenwolken".)
Und ist es nicht eben auch faszinierend zu hören (um mal naturwissenschaftlich zu werden), dass Cirruswolken keineswegs aus (flüssigem) Wasser, sondern - mitten im schönsten Sommerwetter - aus Eispartikeln bestehen?
Mehr noch: sind denn meine Empfindungen bei Wolken
(bis hin zum Umstand, dass ich da gerne [!] "kippfigurenartig" Figuren drin erkenne: )
wirklich
so unbedeutend,
rein subjektiv,
eine kleinbürgerliche Vertröstung eben aufs Kleine (mangels "großer" Erlebnisse)
und letztlich nur sentimental?
Mir ist wahrhaft nicht danach, mich hier (windelweich) zu verteidigen - und damit solche Einwände letztlich doch halb zu akzeptieren. Sondern
hiermit denunziere ich meinerseits die Denunziation der Empfindungen (bei Naturphänomenen) als stumpf und banausenhaft! |
Die erste Empfindung, die da denunziert wird, ist nämlich das Staunen, das laut Aristoteles Vorbedingung aller Wissenschaft ist.
Überhaupt ist eine empfindungslose Wissenschaft ein gewaltiger - und gefährlicher! - Irrtum:
(man verzeihe dem Buch das nichtssagende Wort "fühlt") | "[...] Dieses Buch wendet sich gegen die naturwissenschaftliche Entzauberung der Welt. Doch es versucht nicht, der »wissenschaftlichen« Weltsicht eine irrationale Alternative entgegenzuhalten. Eine solche ist freilich zunehmend Mode. Man denke nur an die USA, wo zurzeit der naive Glaube an einen intelligenten Schöpfer, der alle Wesen wie ein grandioser Uhrmacher hergestellt hat, als »Intelligent Design« eine ungeahnte Renaissance erlebt. Ich behaupte dagegen: An der Entzauberung der Welt ist nicht der Wunsch schuld, sie zu ergründen, sondern unsere falsche Prämisse, die alle Forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einer kalten und technischen Angelegenheit gemacht hat. Ich propagiere auf diesen Seiten keinen Abschied von der Wissenschaft, sondern eine Wissenschaft des Herzens. Wenn man die Ergebnisse der biologischen Forschung unvoreingenommen deutet, machen sie nur diese Lesart möglich. Um es klar zu sagen: Im gegenwärtigen Streit zwischen »Kreationisten« und »Evolutionisten« scheint vordergründig nur die Wahl zwischen zwei Alter-nativen zu bestehen. Entweder ist die Biosphäre eine Maschine, die ohne jeden Sinn entstand - oder sie ist ein (ebenfalls mechanischer) Apparat, den ein unbekannter Gott designte. Ein dritter Weg wird nicht einmal erwogen: Dass die Materie selbst schöpferisch ist, dass sie einem Prinzip der Fülle folgt und Subjektivität aus sich hervorbringt. |
Gefährlich ist die Denunziation der "natürlichen" Empfindungen aus zwei Gründen:
, weil sie eine Denkweise fördert, die maßgeblich zur Umweltzerstörung beiträgt
(da die Umwelt immer nur als abgetrenntes, also letztlich auch wohl überflüssiges Objekt angesehen wird),
, weil sie "die" Leute aus den Naturwissenschaften
(und auch aus der "verfassten" Religion)
heraus und in die Fänge der Esoterik hinein treibt.
Wir (?) lassen uns viel zu sehr durch (scheinbar) "GROSSES" ablenken und hinhalten, also beispielsweise durch
das tägliche Häppchen "Aktualitäten" in den "newsshows"
(wohinter [damit?] sowas Wichtiges und doch Abstraktes wie Hintergründe, Vorgeschichten und Zusammenhänge verschwindet),
die überflüssigste Zeitschrift der Welt, nämlich "das neue Lifestyle-Magazin"
(so verständlich ich die Träume von "reich & sexy & Sozialratte" finde, die in solchen Zeitschriften befriedigt und erzeugt werden, so gefährlich erniedrigend sind sie doch gleichzeitig, wenn man "von Natur oder Gesellschaftsschicht aus" nicht die mindeste Chance hat, sie zu erreichen).
Da wäre Adalbert Stifters "Sanftes Gesetz"
(und überhaupt der Mut, das Wort "sanft" zu benutzen!)
fast schon ein Ausweg, wenn es nicht auch wieder nur die (andere) Hälfte der Wahrheit wäre: nichtmal Stifter selbst hat
(etwa in den Erzählungen des Buchs , zu dem "Das sanfte Gesetz" das Vorwort ist)
dieses - um mal zu kalauern - GESETZ umGESETZt:
„Seltener ist beobachtet worden, daß hinter der stillen, innigen Genauigkeit gerade seiner Naturbetrachtung eine Neigung zum Exzessiven, Elementar-Katastrophalen, Pathologischen wirksam ist."
(Thomas Mann; vgl. auch Wolfang Matz: Gewalt des Gewordenen; Zu Adalbert Stifter; Literaturverlag Droschl)
Und um fast schon hämisch Stifters Biographie als Kronzeugin gegen das Werk aufzurufen: Stifters Leben und - als Konsequenz daraus - sein Tod waren wahrhaft nicht sanft
(vielleicht hat er sich gerade deshalb so sehr nach Sanftheit gesehnt!).
Überhaupt glaube ich:
es gibt gewisse "kleine" Naturphänomene, die "ursprünglich" jedeN faszinieren.
Wenn aber jemand die genannte "Primärfaszination" nicht mehr empfindet, dann (so behaupte ich einfachmal), weil eine anfänglich durchaus vorhandene Faszination
ausgetrieben wurde. |
(Nebenbei:
Auch die wahrhaft "GROSSEN" Naturphänomene sind noch erheblich faszinierender, als viele wissen:
So schrecklich z.B. gigantische Vulkanausbrüche sein mögen
[und sie sind gigantischer, als der Laie es sich vorstellen kann!],
so sind sie gleichzeitig doch Voraussetzung jeglicher Evolution, d.h. sie schaffen Leben, indem sie es vernichten:
"[Ich bin] Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft."
[Mephisto in Goethes "Faust I"]Und dennoch ist es natürlich bitter ernst zu nehmen, dass solches Wissen die Opfer von Vulkanausbrüchen, Hurrikans und "Monsterwellen" nicht im mindesten tröstet, wie Naturwissenschaft ja überhaupt kaum je die "letzten Fragen" beantworten kann; vgl. .
steckt aber auch und gerade hinter den unscheinbaren, allzu selbstverständlichen und deshalb gar nicht mehr als solche wahrgenommenen Phänomenen oftmals eben doch etwas "Phänomenales":
Wolke ist nicht gleich Wolke, sondern wenn etwa in einer Gewitterwolke Blitz und Hagel gebildet werden, ist wahrhaft die Sau los!
oder vergleich etwa die irrwitzigen, absolut einmaligen Eigenschaften popeligen Wassers, wie sie etwa in dem Buch gezeigt werden - und Leben überhaupt ermöglichen. Dazu aber muss man nichtmal so [ablenkend] esoterisch werden wie beispielsweise . Umgekehrt liefert das Thema "Wasser" aber massenhaft Anlässe für [s.u.] historisch-kulturelle Überlegungen:
muss man sich ja wahrhaft nicht für alles interessieren, sondern ich meine "nur" eine gewisse Disposition für Naturphänomene, die aber vielleicht nie Gelegenheit hatte, "aktual" zu werden. Z.B. wird ein Südseeinsulaner wenig Anlass gehabt haben, sich für
"Schneeflöcken, weiß Röckchen"
und die faszinierende Schönheit von Schneekristallen zu begeistern.)
Musterbeispiele der Primärfaszination für "Kleines" sind
Wolken,
romantische (!) Sonnenuntergänge,
"Sonne, Mond und Sterne" (das Sternenzelt!),
die Sandverwehungen an einem Strand,
die Flugkünste von Albatrossen oder "einfach" "nur" stinknormalen Möwen
(Bildquelle pixelio.de)
Gesteinsschichten
das Jauchzen über die ersten schönen Frühlingstage,
Federn (s.u.).
Solche Phänomene sind vor und neben aller Wissenschaftlichkeit faszinierend und schön. Und schön wäre es auch, wenn
Genau diese Punkte (und insbesondere der Selbstzweck) unterscheiden solche Phänomene aber von fast allem, was üblicherweise im Schulunterricht abgehandelt wird! |
Dabei behaupte ja keineswegs, dass meine Feststellung der Faszination für gewisse Naturphänomene neu ist: beispielsweise hat das ja alles schon gewusst!
Und ich werde auch den Teufel tun zu behaupten, dass aller Schulunterricht nun an solchen faszinierenden Naturphänomenen aufgehängt werden kann - und sollte: es ist z.B. auch für die Faszination für sehr abstrakte Probleme (vgl. etwa ) zu werben, und überhaupt gibt es immer wieder
(auch bei der wissenschaftlichen Ergründung solch faszinierender Phänomene!)
schlichte "Paukphasen".
Überhaupt ahne ich noch die spezielle Schwierigkeit, dass viele SchülerInnen
(Meinungsmacher in Klassen)
jede Faszination für solche Naturphänomene im o.g. Sinne denunzieren werden,
sei´s, weil ihnen diese Faszination im Laufe der Schulzeit ausgetrieben wurde,
sei´s, weil sie "von Haus aus" (?) mechanistische SchmalspurnaturwissenschaftlerInnen und -mathematikerInnen sind
(also durchaus fachlich gut, aber doch herzlos),
sei´s, weil in der Pubertät "coolness" angesagt ist und damit jegliches Zugeben solcher Faszination als sentimental abgetan wird, ja zwecks Selbstschutz abgetan werden muss.
Wolken
(allemal ein hochinteressantes Gebiet für den "erweiterten" naturwissenschaftlichen Unterricht!)
waren aber nur der erste Zugang zu dem, worum es mir hier geht:
, weil Wolken nur scheinbar "klein" sind,
, weil Cirruswolken auch als Feder(!)wolken bezeichnet werden, eben weil sie oftmals auch wie Federn aussehen:
Denn der eigentliche Anlass für diesen Aufsatz ist eine "erstbeste"
(Vogel-)Feder!
Und das eben auch deshalb, weil solch eine Feder nun wahrhaft "klein", nämlich fast gewichtslos ist. Gerade deshalb wird von ihr ja das Wort "federleicht" abgeleitet:
federleicht, [...] ohne [!] Gewicht, gewicht[s]los [!] [...]
(Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter)
Der beste Beleg dafür, dass eine stinknormale Feder auf alle Menschen ungeheuer faszinierend wirkt, ist vielleicht die Anfangsszene des Films "Forrest Gump"
(und das wohl insbesondere, wenn gilt, woran ich mich unklar erinnere, wofür ich aber nicht auf Anhieb einen Beleg finde:
dass
[was man ja durchaus auch kritisch sehen könnte]
"Forrest Gump" ganz bewusst auf "den" (allgemeinen) Publikumsgeschmack (und damit den einen oder anderen "Oscar") hin konzipiert wurde, indem man schon während der Dreharbeiten hunderte von Leuten gefragt hat, ob´s ihnen denn auch ganz unbedingt gefalle):
|
An Federn kann man nun - so behaupte ich einfach mal - die halbe Kulturgeschichte aufhängen, und es hat mich fast gewundert, dass ich bei der Suche nach Internetseiten und Büchern mit dem Titel "Die Kulturgeschichte der Feder" nicht fündig geworden bin - wie etwa bei
Überhaupt ist ein "Naturphänomen" nur wirklich faszinierend, wenn seine Behandlung in viele andere Kulturbereiche und die Geschichte ausgreift
(was dann nebenbei auch ein Beweis dafür ist, dass es allgemein faszinierend ist;
und dass hinter den vordergründig rein "natürlichen" immer auch kulturelle Phänomene aufleuchten, wurde ja beispielsweise bereits an deutlich).
Hier seien nur einige wenige Elemente einer Kulturgeschichte der Feder aufgezeigt:
,
(Sitting Bull),
,
(Frau Holle und damit ebenso Schnee wie Bettfedern)
Selbstverständlich sind in einer Unterrichtseinheit "Federn" aber natürlich auch naturwissenschaftliche Betrachtungen möglich
(zumal Naturwissenschaft ja auch ein Teil der erweiterten Kultur ist).
So können sich beispielsweise gerade aus der Primärfaszination für Federn ja beispielsweise die Fragen ergeben,
wie Vögel damit überhaupt - und zwar so durch alle Technik unerreicht gut! - fliegen
wie solch eine Feder "konstruiert" ist
(federleicht und doch - durch Flexibilität - enorm stabil; vgl. ),
woher der hohe "Wärmedämmwert" der Federn resultiert.
Und dazu gibt es gerade im relativ neuen
(in Schulen leider kaum angekommenen)
Fachgebiet der "Bionik" wahrhaft hochinteressante Erkenntnisse, wie man ja überhaupt der Natur ungeheuer viele (auch ökologische) Tricks abschauen kann; vgl. etwa im Buch das Kapitel "Wie die Vögel fliegen - fliegen wie die Vögel?" (S. 54ff).
Und gerade durch die Bionik sollte das Staunen erhöht statt - wie oft üblich - totgeschlagen bzw. für eine reine Fachlogik "kastriert" werden.